Artilleriefeuer, Raketeneinschläge: Seit Wochen ist die Gegend rund um das AKW Saporischschja in der Ostukraine Schauplatz heftigster Kämpfe. Die UN-Atombehörde warnt vor katastrophalen Folgen einer Beschädigung eines der sechs Reaktorblöcke des größten Atomkraftwerks Europas, das 30 Prozent des Stroms für die Ukraine produziert.
Am Donnerstag wurden die beiden zuletzt noch arbeitenden Reaktoren der Anlage vom Netz genommen. Grund seien Brandschäden an Stromleitungen. Zuvor waren aus weiten Teilen der von russischen Truppen kontrollierten Regionen Saporischschja und Cherson Stromausfälle gemeldet worden.
Laut russischen Medien sei das Kraftwerk wieder an das Stromnetz angeschlossen worden. Wie Petro Kotin, Chef der ukrainischen Atombehörde, schildert, soll offenbar bei weiteren Beschädigungen endgültig die Verbindung gekappt werden. Möglicherweise, so seine Vermutung, würden russische Truppen selbst die Leitungen beschießen, um das zu verursachen. Doch eine Umstellung auf das russische Netz sei hoch riskant: „Das lässt sich nicht so einfach von einem System aufs andere umstellen.“
Ein Fehler bei dieser Umstellung berge eine der größten Gefahren für einen Nuklearunfall. Denn ohne Strom fällt beim AKW mangels Pumpleistung die Kühlung durch Wasser aus. Danach ist es nur eine Frage von Stunden, bis der Reaktorkern überhitzt und es zur Kernschmelze kommt.
Die UN-Atombehörde IAEA gab am Donnerstag aber bekannt, dass sie kurz vor einer Vereinbarung für eine Inspektion des AKW Saporischschja stehe.
Wer tatsächlich für den Beschuss des AKW verantwortlich ist, ist umstritten. Beide Seiten beschuldigen einander. Die Ukraine hat den Vorwurf zurückgewiesen, ihr eigenes AKW anzugreifen. „Niemand, der halbwegs bei Sinnen ist, kann sich vorstellen, dass die Ukraine ein Kernkraftwerk angreifen würde, bei dem ein Risiko einer nuklearen Katastrophe besteht und das auf ihrem eigenen Territorium liegt“, sagte zuletzt der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kislizia.
Russland legt Beweise vor
Russland hatte eigenen Angaben zufolge zuvor Aufnahmen zum angeblichen ukrainischen Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja an die wichtigsten UN-Gremien weitergeleitet. Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig den Beschuss des AKW vor. Einer internationalen Experten-Mission von ukrainischem Gebiet aus zum russisch besetzten Kernkraftwerk im Osten des Landes fehlen laut UN bislang die notwendigen Sicherheitsgarantien der Kriegsparteien.
Kommentare