Aktivisten in Österreich: "Russland verwandelt sich in eine Diktatur"

Russian President Vladimir Putin meets election agents at the Kremlin
Russische Oppositionelle wandten sich mit Wünschen an österreichische Politiker. Ein ÖVP-Abgeordneter erzählte von Aktivitäten Botschafters.

Bei einem Gespräch mit Nationalräten von Grünen, NEOS, ÖVP und SPÖ haben russische Oppositionsaktivistinnen und -aktivisten am Donnerstag in Wien insbesondere auch Wünsche an die österreichische Politik artikuliert. Neben der Forderung, Wladimir Putin nach dem Urnengang vom Sonntag nicht als legitimes Staatsoberhaupt anzuerkennen, wurde über Schwierigkeiten russischer Regimekritiker, Wehrdienstverweigerer und LGBTIQ-Personen geklagt, humanitäre Visa in der EU zu erhalten.

"Russland verwandelt sich aus einem autoritären Regime immer mehr in eine Diktatur und der Kampf dagegen kann ohne die Hilfe anderer Staaten nicht gewonnen werden", sagte eine Aktivistin von "Feminist Anti-War Resistance" bei der Veranstaltung im Parlament, zu der die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, eingeladen hatte. Nicht nur Russinnen und Russen hätten eine diesbezügliche Verantwortung, auch Länder wie Österreich, die 20 Jahre lang mit dem russischen Regime Geschäfte gemacht hätten, kritisierte die Russin, die wie ihre Kolleginnen und Kollegen aus Sicherheitsgründen namentlich nicht genannt werden wollte.

Ausweisungen

Für Sicherheit und Bedrohungen durch russische Agenten in Wien interessierten sich die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sowie ihr ÖVP-Kollege Martin Engelberg. Letzterer kommentierte die Erzählung eines Aktivisten, dass fragwürdige Personen am Sonntag den Wiederaufbau einer zerstörten Nawalny-Gedenkstätte in der Wiener Reisnerstraße gefilmt hätten, mit der Empfehlung, die betreffenden Personen selbst zu filmen und die Aufnahmen österreichischen Behörden zu übergeben. "Der österreichische Außenminister setzt sich sehr dafür ein, 'Diplomaten' aus Russland des Landes zu verweisen, wenn Belege dafür vorliegen, dass es sich bei ihnen um keine Diplomaten handelt", sagte er mit Verweis auf die eine kürzliche Ausweisung.

Putin feiert seinen Sieg und beschwört Einheit (mit Untertitel)

Der ÖVP-Politiker berichtete gleichzeitig über persönliche Erfahrungen mit Vertretern des offiziellen Russlands auch nach dem Überfall auf die Ukraine: Nach einer zufälligen Begegnung mit dem russischen Botschafter Dmitri Ljubinski bei einem privaten Konzertbesuch habe dieser zunächst vergeblich angeboten, ihn beteiligen Musikern vorzustellen. Am nächsten Tag habe die russische Botschaft sein Büro kontaktiert, um ihn zu einem Dinner einzuladen. "Ich lehnte noch einmal ab und bin nun draußen - er wird mich nicht mehr kontaktieren", erzählte Engelberg. Er habe sich durch diese Einladung aber nicht geschmeichelt gefühlt, denn er sei sich sicher, dass der Botschafter das mit jedem versuchen würde.

Die russischen Gäste klagten im Parlament wiederholt über Probleme mit Aufenthaltstiteln in EU-Staaten. "Politisches Asyl ist für uns Aktivisten keine Option, denn wir sind darauf aus, wenn es kritisch wird und wir gebraucht werden, nach Russland zurückzukehren", sagte sie. In manchen europäischen Staaten wie Litauen etwa gebe es NGOs, die den Kontakt von Oppositionsaktivisten mit den staatlichen Behörden herstellten und für einen erleichterten Zugang zu humanitären Visa sorgten. In Österreich fehle das, klagte die Aktivistin, die sich selbst hier nur dank eines Studiums aufhalten kann.

Humanitäres Visa

Verständnis für die Problematik zeigte SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr: Sie habe als Oppositionelle in Österreich zwar nur begrenzten Einfluss, arbeitete aber gerade an einem Bericht für den Europarat, in dem sie einen vereinfachten Zugang von Menschenrechtsaktivisten und gerade in Russland gefährdeten LGBTQ-Menschen zu humanitären Visa empfehlen werde.

Am Ende der Veranstaltung forderte eine Aktivistin schließlich Österreich dazu auf, Wladimir Putin nicht als Wahlsieger sowie legitimen Präsidenten der Russischen Föderation anzuerkennen. Bereits am Dienstag hatte die Witwe von Oppositionsführer Alexej Nawalny, Julija Nawalnaja, in Berlin ähnliche Forderungen erhoben.

Man werde diese Frage am Freitag im Außenpolitische Ausschuss des Parlaments mit Außenminister Alexander Schallenberg diskutieren, sagte Ernst-Dziedzic im Anschluss. Sie rechne damit, dass das offizielle Österreich eine Zwischenposition zwischen völligem Negieren und offizieller Anerkennung einnehmen werde. "Man wird das mit dem Begleittext zu Kenntnis nehmen, dass diese Wahlen unter Ausschaltung der Opposition mit einer sehr hohen Repression wieder frei noch fair waren", erklärte die Grünpolitikerin im Gespräch mit der APA. Sie selbst würde Putin sehr bewusst als "diktatorischen Herrscher" bezeichnen - dies impliziere, dass es sich bei ihm nicht um einen legitimierten Präsidenten handelt. Aber auch die Verwendung des Wortes "Präsident" würde nicht automatisch eine Legitimierung bedeuten, sondern beschreibe die Funktion eines Machthabers an der Spitze des russischen Staates, erläuterte sie.

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