Russlands Oligarchen: Sie zahlen Putins Krieg – und verdienen daran
Die Zivilgesellschaft wurde zum Schweigen gebracht, in den Medien schreit einem pausenlos Kreml-Propaganda entgegen. Eineinhalb Jahre nach Kriegsbeginn sind die Stimmen, die sich in Russland gegen Putins Krieg stemmen, mehr als rar.
Kurz nach der Invasion war das anders: Da hörte man, wenn auch leise, von einigen einflussreichen Oligarchen kritische Töne. Wie viel davon Fassade war, bleibt offen. Denn wie eine Recherche des unabhängigen russischen Investigativmediums Projekt jetzt zeigt, unterstützen mindestens 80 der 200 laut Forbes reichsten Russen Putins Kriegsmaschinerie tatkräftig, auch wenn sie sich öffentlich – meist zaghaft – davon distanzieren. Einige konnten ihr Vermögen trotz Sanktionen und Wirtschaftsflaute sogar vergrößern – und wurden dafür oft auch noch vom Kremlchef persönlich mit Orden dekoriert.
Arkadij Rotenberg (71)
- Vermögen: 2,9 Mrd. Dollar
- Platz 52 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- im Bauwesen reich geworden
Rotenberg ist seit Jahren mit Putin befreundet, die beiden teilen eine Leidenschaft für Judo. Der gebürtige Petersburger soll einen Großteil seines Vermögens, das er hauptsächlich in der Baubranche erwirtschaftete, seinem guten Verhältnis zum Kremlchef verdanken. Sein Imperium - auch sein Bruder Boris zählt zu Russlands reichsten Männern - kontrolliert etwa den internationalen Flughafen Scheremetjewo in Moskau. Rotenberg ist bereits seit 2014 vom Westen mit Sanktionen belegt, weil er an staatlichen Aufträgen im Zusammenhang mit der Krim-Annexion verdiente - er baute etwa die Kertsch-Brücke, die die Halbinsel mit dem Festland verbindet.
Sein Imperium umfasst zumindest zwei Patronenfabriken, die er von seinem Sohn Igor kontrollieren lässt. Sie sollen Munition liefern, die laut Recherchen von Projekt beim Mord an Zivilisten in Butscha verwendet worden sein soll. Rotenberg erhielt schon mehrere Orden von Putin, den letzten vergangenen Oktober - für seine Verdienste um das Vaterland.
Oleg Deripaska (55)
- Vermögen: 3,8 Mrd. Dollar
- Platz 37 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Aluminium- und Energiemagnat
Deripaska ist einer der engeren Vertrauten Putins. Aufgestiegen in dessen innersten Zirkel ist er durch seine Heirat mit Polina Jumaschewa, der Stieftochter von Boris Jelzins Tochter. Ihre Familie war es, die Putin als Jelzins Nachfolger auserkor; die beiden sind mittlerweile geschieden.
Deripaska ist auch in Österreich kein Unbekannter. Der 55-Jährige, der einst die Forbes-Liste der reichsten Russen anführte, machte sein Geld hauptsächlich in der Rohstoffbranche und im Energiesektor, hierzulande war er bei der Strabag engagiert. Seine Beteiligung ist eingefroren. Sein Unternehmen Rusal soll laut Verträgen, die Projekt vorliegen, Aluminiumpulver zur Bomben-, Raketen und Kampfjetherstellung liefern; zudem soll er an Firmen beteiligt sein, die gepanzerte Fahrzeuge für den Krieg herstellen. Er ist seit 2018 weitgehend sanktioniert, 2022 entzog ihm Zypern seinen "goldenen Pass", also die Staatsbürgerschaft, die er dort im Austausch für Investitionen erhalten hatte.
Deripaska distanzierte sich öffentlich mehrfach von der Invasion. Er war auch der einzige der 80 Oligarchen, der auf die Anfrage von Projekt reagierte - er nannte die Invasion darin einen „sinnlosen Krieg“. Ende 2022 wurde einer seiner Hotelkomplexe in Sotschi von den russischen Behörden beschlagnahmt, versehen mit der Botschaft, er solle sich in puncto Ukraine künftig zurückhalten, schrieb die Financial Times.
Alexej Mordaschow (57)
- Vermögen: 29,1 Mrd. Dollar
- Platz 1 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Stahlsektor, Bankwesen, Medien
Mordaschows Unternehmen Serverstal ist der größte Stahllieferant des Landes. Bis zur Invasion war der 57-Jährige, der fließend deutsch spricht, auch beim deutschen Tourismusriesen TUI engagiert. Seinen Reichtum hat er auf die ganze Familie aufgeteilt; in den Panama Papers sind Geldflüsse zwischen seinem Imperium und engen Freunden Putins wie etwa den Musiker Sergej Rodulgin belegt. Rodulgin steht im Verdacht, als Strohmann für Putin selbst zu fungieren.
Sein Stahlgigant beliefert laut Projekt-Recherchen mehr als zehn Rüstungsfirmen, die wiederum Fahrzeuge, Kriegsschiffe und Waffen produzieren. Seine Medienholding NMG kontrolliert zudem zwei der größten Sender Russlands, darunter den populärsten russischen Sender Perwyj Kanal. Beide sind voll auf Kreml-Linie. An der NMG-Gruppe soll über Umwege auch Putin persönlich verdienen. Der Kremlchef verlieh Mordaschow letzten Sommer den Orden der Freundschaft.
Alischer Usmanow (69)
- Vermögen: 18,4 Mrd. Dollar
- Platz 7 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Eisenerz, Mobilfunk, Social Media
Der gebürtige Usbeke wird in den EU-Sanktionsanordnungen als einer von Putins besonders favorisierten Oligarchen bezeichnet. Er soll Geld an Personen aus Putins Umfeld fließen haben lassen, Ex-Präsident Medwedew, jetzt stellvertretender Vorsitzender des russischen Sicherheitsrats, soll Usmanows luxuriöse Residenzen genutzt haben.
Sein Konzern Metalloinvest ist der größte Eisenproduzent Russlands, seine Sozialen Netzwerke und Medien - zu seinem Imperium gehört etwa VKontakte, das russische Pendant zu Facebook, oder die einst liberale und mittlerweile auf Kreml-Linie getrimmte Zeitung Kommersant' - publizieren, was die Staatsführung für richtig hält, sie unterliegen staatlicher Zensur.
Usmanows Firmen beliefern Waffen- und Panzerhersteller mit Eisenerz. Sein Mobilfunkunternehmen Megafon wird von den Streitkräften für die Kommunikation genutzt. Usmanow distanziert sich zaghaft von Putins Invasion („der Krieg wird niemandem nützen“). Kurz nach Kriegsbeginn durchsuchten die deutschen Behörden Immobilien am Tegernsee, die sie ihm zugeordnet hatten - er distanziert sich aber von Immobilienbesitz und Beschlagnahmungen: Usmanow habe nie Immobilien am Tegernsee besessen, so sein Anwalt. Mittlerweile soll er in Usbekistan leben.*
Wiktor Wekselberg (66)
- Vermögen: 9 Mrd. Dollar
- Platz 20 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Aluminium, Maschinenbau
Wiktor Wekselberg wurde in der Ukraine geboren, dennoch unterstützt er die russische Rüstungsindustrie. Er wurde in den 1990ern reich, als unter Jelzin die Sowjetindustrie auf teils dubiosen Wegen privatisiert wurde, sein Firmenkonglomerat umfasst Beteiligungen an Aluminium, Öl, Energie und Telekommunikation. Gemeinsam mit dem österreichisch-kroatischen Investor Ronny Pecik steig Wekselberg in die Schweizer Unternehmen Sulzer und Oerlikon ein, er hat auch einen Wohnsitz in der Schweiz. Seine dort ansässige Renova-Gruppe hält Beteiligungen an vielen eidgenössischen Firmen.
Sein Konzern Rusal Ural liefert Aluminiumpulver an mindestens 13 Rüstungsunternehmen, die Bomben, Granaten, Panzerminen herstellen. Er ist israelischer Staatsbürger und hat sich einen "goldenen Pass" in Zypern besorgt.
Michail Fridman (59)
- 15,5 Mrd. Dollar
- Platz 11 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Industrie und Finanzwesen
Auch Fridman wurde in Lwiw in der Ukraine geboren. Seine Alfa Group, einer der größten Industrie- und Finanzkonzerne, erhält seit Jahren Aufträge vom Staat - zunächst unter Jelzin, unter Putin wurde die Kooperation noch enger. Ihm wird vorgeworfen, für die Havarie des Öltankers Prestige vor der Küste Spaniens im Jahr 2022 mitverantwortlich zu sein. Der Tanker gehörte ihm über eine Offshorefirma indirekt. Obwohl mehrfach schwere technische Mängel an dem Schiff festgestellt worden waren, ließ er es weiterfahren.
Fridmans Firmen versichern Rüstungsfirmen wie Kalaschnikow, seine Banken vergeben Kredite an Munitions- und Rüstungshersteller. Zu Beginn des Krieges bezeichnete er die Invasion seinen Mitarbeitern gegenüber allerdings als "Tragödie" und forderte ein Ende des Blutvergießens. Er selbst ist russischer und israelischer Staatsbürger, lebte vor den Sanktionen lange in Großbritannien. Als unmittelbar nach Kriegsbeginn seine Konten dort eingefroren wurden, beschwerte er sich öffentlich, dass ihm nun sogar Geld "für eine Putzfrau" fehle. Im März 2022 sagte er in einem Interview mit Bloomberg, er habe keinen Einfluss auf Putin. "Zu Putin etwas gegen den Krieg zu sagen, wäre für jeden Selbstmord." Zugleich kündigte Friedmans Stiftung finanzielle Unterstützung für jüdische Organisationen an, die ukrainischen Flüchtlingen helfen.
Nach Erlass der Sanktionen beschwerte er sich, dass er sich als Russe nun fühle wie Juden über lange Jahre. 2023 kündigte er an, sich von allen russischen Vermögenswerten zu trennen; der Vollzug ist noch offen.
Jewgenij Kasperskij (57)
- 1,2 Mrd. Dollar
- Platz 101 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Softwaregigant
Kasperskij gehört zu den weltweit führenden Spezialisten im Bereich Virenschutz, sein Virenschutzprogramm Kaspersky Anti Virus war im Westen lange weit verbreitet. Seit dem Krieg hat sich das geändert: Berlin und Washington warnten ihre Bürger offiziell vor dem Einsatz, viele staatliche Stellen wenden die Software nicht mehr an. Im Westen wird Jewgenij Kasperskij verdächtigt, mit den russischen Geheimdiensten zu kooperieren.
Politisch stand der IT-Experte immer auf einer Linie mit Putin, auch wenn er direkte Kontakte zum Kreml dementiert. Er äußerte mehrfach Kritik an Oppositionellen wie dem inhaftierten Alexej Nawalnij, weil dieser sich per Hacking Daten beschafft habe. Er ist auch ein offener Bewunderer zensierender politischer Systeme wie in Singapur und China. Seine Ausbildung soll er an der KGB-Hochschule absolviert haben. Er selbst nutzt kein Smartphone, er sagt, er sei kein Anhänger smarter Technologien.
Seine Sicherheitssoftware-Firma Kaspersky Lab kooperiert mit dem staatlichen Tech-Konzern Rostech, der wiederum Kampfjets und Marschflugkörper ausrüstet. Sanktioniert wird er nur von der Ukraine direkt. Kapserskijs Vermögen stieg seit Kriegsbeginn laut Forbes um 75 Prozent, wohl wegen der vielen staatlichen Aufträge.
Dmitrij Mazepin (55)
- 0,8 Mrd. Dollar
- Platz 150 im aktuellsten russischen Forbes-Ranking (2021)
- Chemiesektor, Düngemittel
Mazepin ist in Minsk geboren, ihm gehört der Düngemittelriese Uralchem., der wiederum eng mit dem staatlichen Unternehmen Belaruskali kooperiert - Belarus ist der größte Kalidüngemittelproduzent weltweit. Er trat wegen der Sanktionen zwar offiziell als Uralchem-Chef zurück, dennoch hält er nach wie vor Beteiligungen.
Uralchem liefert Chemieprodukte für Raketen und Sprengstoff. Weil Düngemittel kaum mehr vom Westen sanktioniert werden, stieg sein Vermögen während des Krieges rasant: Durch den Anstieg der Düngemittel-Weltmarktpreise wuchs es von 0,8 Mrd. (2021) auf geschätzt 3,8 Mrd.
Mazepins Sohn Nikita war vor der Invasion Formel-1-Fahrer, wurde aber nach Kriegsbeginn ausgeschlossen. Er und ein Vater sind von Sanktionen belegt, ihnen gelang es aber, einen Teil davon vor einem EU-Gericht auszusetzen. Dmitrij Mazepin wurde von Putin mehrfach mit Orden ausgezeichnet.
*) Hinweis der Redaktion: Der Absatz zu Alischer Usmanow wurde am 4.8.2023 um 17:00 Uhr um die Erläuterungen Usmanows persönlich ergänzt.
* Hinweis der Redaktion: Der Absatz zu Alischer Usmanow wurde am 4.8.2023 nachträglich um die Anmerkungen Usmanows ergänzt.
Kommentare