Russische Teilmobilmachung: Kiew spottet, Westen ist besorgt

In Russland wird mithilfe von Werbeplakaten für einen Eintritt in die Streitkräfte geworben
Die aktuelle Eskalation im Krieg gegen die Ukraine wird genau beobachtet. Kiew gibt sich unbeeindruckt.

Die ukrainische Regierung hat mit Spott auf die von Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte reagiert.

Ein Berater des Präsidentenbüros in Kiew, Mychajlo Podoljak, fragte den Kremlchef am Mittwoch auf Twitter: „Läuft immer noch alles nach Plan oder doch nicht?“ Der für „drei Tage“ geplante Krieg dauere immerhin bereits 210 Tage.

Diejenigen Russen, die eine Vernichtung der Ukraine im Sinn gehabt hätten, hätten bis jetzt unter anderem eine Mobilmachung, geschlossene Grenzen, blockierte Konten und Gefängnisstrafen für Deserteure erhalten. „Das Leben hat einen wunderbaren Sinn für Humor“, so  Podoljak.

"Wie gut es doch ist, Russe zu sein"

Gegenüber Reuters sagte Podoljak, die Teilmobilmachung sei zu erwarten gewesen. Andere Äußerungen Putins in seiner TV-Ansprache vom Mittwoch - er sprach etwa von einer Bedrohung Russlands durch den Westen -  seien rhetorisch gewesen. Ziel sei, den Westen für den Krieg und die sich verschlechternde Wirtschaftslage in Russland verantwortlich zu machen.

Podoljaks Kollege Olexij Arestowytsch interpretierte den Schritt des Kremls dahingehend, dass die hohen Verluste Russland zu dieser Maßnahme zwingen. „Es sind mehr als 100.000 an Getöteten und Verwundeten, eher knapp 150.000“, teilte Arestowytsch mit. „Wie gut es doch ist, Russe unter Putin zu sein“, schrieb er ironisch.

Moskau hatte am Mittwoch von knapp 6.000 toten Militärangehörigen seit Kriegsbeginn gesprochen. Auch unabhängige Beobachter halten die realen Verluste aber für ein Vielfaches höher als genannt.

"Drohungen ernst nehmen"

Im Westen sorgen die Entwicklungen durchaus für Sorge.

In Großbritannien sagte die Staatssekretärin im Außenministerium, Gillian Keegan, Putins Rede stelle eine beunruhigende Eskalation dar. Die Drohungen müssten ernstgenommen werden. Außenminister Ben Wallace erklärte: „Dass Präsident Putin seine eigenen Versprechen bricht, Teile der Bevölkerung nicht zu mobilisieren, sowie die illegale Annexion von ukrainischen Gebieten sind Eingeständnisse, dass seine Invasion scheitert.“

Mit Blick auf Putins Erwähnung von Atomwaffen betonte Wallace: „Keine noch so große Drohung oder Propaganda kann die Tatsache verbergen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, die internationale Gemeinschaft geeint ist und Russland zu einem globalen Paria wird.“

Die Botschafterin der USA in Kiew, Bridget Brink, twitterte: „Scheinreferenden und Mobilmachungen sind Zeichen der Schwäche, des russischen Versagens.“ Die Vereinigten Staaten würden den Anspruch Russlands auf ukrainisches Gebiet niemals anerkennen -"Und wir werden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite stehen.“

Die Referenden und die Teilmobilisierung seien „ein weiterer Beweis dafür, dass Putin nicht an Frieden interessiert ist, sondern daran, seinen Angriffskrieg zu eskalieren“, ließt der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, mitteilen. Zudem sei es ein Zeichen für Putins „Verzweiflung über den Verlauf seiner Aggression gegen die Ukraine“.

Der Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte, sieht in der „Mobilisierung und dem Aufruf zu Referenden“ ein Zeichen von Panik. Putins Rhetorik über Atomwaffen haben "wir schon oft gehört, und sie lässt uns kalt“, sagte er dem Sender NOS. „Ich würde dazu raten, ruhig zu bleiben.“

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte die westlichen Staaten dazu auf, die Ukraine stärker zu unterstützen.

Tschechiens Regierungschef Petr Fiala sprach von einem „Beweis dafür, dass Russland der alleinige Aggressor“ sei.

Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics kündigte an, „keine Russen“ aufzunehmen, „die vor der Mobilisierung der Moskauer Truppen fliehen“.

Deutschland sagte der Ukraine weitere Unterstützung zu. Man werde über den falschen und schlimmen Schritt Russlands beraten, sagt Vize-Kanzler Robert Habeck. Klar sei aber, dass man die Ukraine weiter vollumfänglich unterstützen werden.

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