Romneys Flucht nach vorne
Kein Mensch mit einem Hauch von politischem Instinkt schreibt so viele Wähler ab. Für den Rest der Wahlkampagne muss man Mitt Romney jedes Wort vorschreiben." Tom Davis, höchst empörter Ex-Kongressabgeordneter und republikanischer Parteifreund von Mitt Romney, war am Mittwoch mit seinem Frust nicht alleine. Eine ganze Reihe konservativer Politiker, Wahlkampfhelfer und Kommentatoren ärgerten sich öffentlich über den Fauxpas des republikanischen Präsidentschaftskandidaten, 47 Prozent der Amerikaner sinngemäß als Nichtsnutze zu schmähen. In einem heimlich mitgeschnittenen Video hatte Romney 47 Prozent der US-Bürger vorgeworfen, keine Einkommenssteuer zu zahlen, wohl aber sämtliche staatlichen Leistungen einzufordern.
Für US-Präsident Obama war der Gegenangriff aufgelegt: "Romney schreibt einen großen Teil des Landes ab", konterte Obama in einem Gespräch mit TV-Startalkmaster David Letterman, "aber als Präsident habe ich gelernt, dass man das ganze Land repräsentiert."
Umverteilung
Weniger als 50 Tage von den Präsidentschaftswahlen entfernt, treibt Romney seinem Kontrahenten unfreiwillig Wähler in die Arme. In Umfragen liegt Obama nun um bis zu fünf Prozentpunkte vorne. Doch ein Rückzieher nach seinem "47-Prozent"-Ausfall ist von Romney nicht zu hören – im Gegenteil, der Republikaner legt noch nach: Er wirft Barack Obama vor, Reichtum umverteilen zu wollen – und verweist dabei auf eine 14 Jahre alte Tonbandaufnahme, auf der Obama sagte, staatliches Eingreifen sei nicht in jedem Fall unangebracht. Doch Umverteilung, so die These Romneys, sei nichts anderes als "Sozialismus" und das Gegenteil eines freien Amerika, das sich so wenig Staat wie möglich wünsche.
Mit Bangen sieht der republikanische Wahlkampfstab nun den drei TV-Duellen zwischen Obama und Romney entgegen. Dort habe Romney Gelegenheit, seine Ideen und Vorstellungen darzustellen, ohne dass Zitate entstellt und aus dem Zusammenhang gerissen würden, heißt es. Doch im engsten Team um Romney weiß man auch: In puncto Rhetorik und Schlagfertigkeit kann es der stets steif und elitär wirkende Multimillionär mit Obama nicht aufnehmen. Der konservative Ex-Abgeordnete Tom Davis: "Romney ist ein Manager, aber kein politisches Tier."
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