Riss in Venezuelas Führung: Protest gegen Entmachtung des Parlaments

Ein Demonstrant in Caracas
Generalstaatsanwältin sieht Verfassungsbruch: Massenproteste am Samstag angekündigt.

Die international scharf kritisierte Entmachtung des Parlaments in Venezuela stößt auch in den eigenen Reihen auf Kritik. Galt das Regierungslager bisher nach außen hin als geschlossen, hat als bisher ranghöchste Vertreterin des Staates Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz den Machtentzug durch den Obersten Gerichtshof als "Verfassungsbruch" bezeichnet. Die Opposition, die eine deutliche Mehrheit im Parlament hat, rief zu Massendemonstrationen am Samstag auf. Präsident Nicolas Maduro berief wegen des Konflikts zwischen Gerichtshof und Generalstaatsanwältin den Sicherheitsrat der Regierung ein. Zugleich verteidigte er das Urteil: "Die Revolution wird sich konsolidieren." Maduro bezeichnete die Opposition als "rechte Putschisten", die hätten doch schon den Champagner kaltgestellt.

Zum Nachdenken aufgerufen

Er kündigte eine schnelle Beilegung des Streites an. Er werde den Konflikt binnen Stunden lösen. "Ich glaube an den Dialog und die Anwendung der Verfassung, um Streitigkeiten zu beenden," so Maduro am Freitagabend (Ortszeit). Die Kritik von Ortega und den offenen Konflikt zwischen den Staatsgewalten versuchte er herunterzuspielen. Zuvor hatte seine Generalstaatsanwältin betont: "Als oberste Repräsentantin des Ministerio Publico, im Namen von 10.000 Mitarbeitern und fast 3.000 Staatsanwälten, die in unabhängiger Weise ihre Aufgaben erfüllen, rufe ich zum Nachdenken auf, damit der demokratische Weg gewählt wird, dass die Verfassung respektiert wird."

Ortega teilte mit, die jüngsten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zeigten "verschiedene Verletzungen der Verfassung" auf. Eine solche Stellungnahme ist ungewöhnlich, da die regierenden Sozialisten bisher bemüht waren, ein geschlossenes Bild abzugeben.

Scharfe Kritik

Als Folge des Urteils bekommt der auch in eigenen Reihen umstrittene Maduro eine enorme Machtfülle. Es ist aber unklar, ob das Militär noch komplett hinter ihm steht - die nächsten Tage könnten spannend werden. Das Land verfügt über die größten Ölreserven der Welt und ist eine wichtige Regionalmacht in Südamerika. Die Entmachtung des Parlaments hatte international scharfe Kritik hervorgerufen. Peru berief seinen Botschafter dauerhaft ab, Kolumbien und Chile beorderten ihre Vertreter zu Beratungen zurück in die Heimat.

Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs, der der Nationalversammlung alle parlamentarischen Kompetenzen entzogen hatte, wird Maduro auch mit weiteren militärischen Vollmachten ausgestattet. Der Gerichtshof wird von einem umstrittenen, vorbestraften Sozialisten geführt. Das Gericht warf dem Parlament Respektlosigkeit und unzureichende Zusammenarbeit mit den anderen Staatsgewalten vor. Das Parlament nannte das einen "Staatsstreich" und sieht Maduro als Treiber dabei. Parlamentspräsident Julio Borges warnte vor einer Diktatur.

Eine Radiojournalistin wurde am Freitag von bewaffneten Polizisten angegriffen, zu Boden geworfen und weggeschleppt. Sie wollte vor dem Obersten Gerichtshof über die aktuelle Lage berichten. Die Venezolanerin arbeitet für den kolumbianischen Sender Caracaol. Das Außenministerium in Bogota verurteilte den Angriff scharf. In Venezuela hat die Repression gegen Journalisten stark zugenommen, der US-Sender CNN wurde abgeschaltet. In der Rangliste der Pressefreiheit lag Venezuela 2016 auf Platz 139 von 180.

Venezuelas Oberstes Gericht soll Urteile überprüfen

Die umstrittenen Urteile des Obersten Gerichtshofs in Venezuela sollen allerdings überprüft werden. Das teilte der nationale Verteidigungsrat Samstag früh mit. Das Gremium unter Vorsitz von Präsident Nicolas Maduro erklärte nach einer Krisensitzung, das Gericht sei aufgefordert worden, seine Entscheidungen zur Entmachtung des Parlaments und zur Aufhebung der Immunität der Abgeordneten zu überprüfen, um "die institutionelle Stabilität und das Gleichgewicht der staatlichen Gewalten" aufrechtzuerhalten. Maduro erklärte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, die durch die Urteile ausgelöste Krise sei "überwunden". Das Gericht werde seine Entscheidungen "klarstellen und korrigieren".

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