Wo in Wien die Lkw für die deutsche Bundeswehr produziert werden

Blick in das Werk von Rheinmetall MAN Military Vehicles in Liesing.
In einem Werk so groß wie der Wiener Stadtpark stellt Rheinmetall Lkw für Armeen auf der ganzen Welt her – nicht für die Ukraine, aber für Singapur und Deutschland.

Begrüßt wurde der deutsche Bundespräsident von Rheinmetall-Chef Armin Papperger persönlich – eine Seltenheit, diesen in Wien anzutreffen. Der Rheinmetall-Chef ist seit Kriegsbeginn in der Ukraine heftigen Anfeindungen ausgesetzt, im Vorjahr soll ein russisches Attentat auf Papperger vereitelt worden sein. Personenschützer gehören zum Alltag. 

Eine Gemeinsamkeit zwischen Papperger und dem deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die am Mittwoch gemeinsam das Werk von Rheinmetall MAN Military Vehicles (RMMV) in Liesing besuchten. Das Joint Venture aus dem Rüstungskonzern und dem Lkw-Hersteller MAN produziert militärische Lkw, die auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Wären es Teile für gepanzerte Kettenfahrzeuge wie den Kampfpanzer Leopard 1A5 und den Schützenpanzer Marder 1A3, die etwa gegen Russlands Krieg in der Ukraine eingesetzt werden, würde das Werk wohl weitaus mehr Aufmerksamkeit erfahren – und in Debatten um Österreichs Neutralität eine weitaus größere Rolle einnehmen.

Ob hier auch Fahrzeuge für die Ukraine produziert werden, verneint das Unternehmen.

Besuch im Rheinmetall-Werk in Wien.

Besuch im Rheinmetall-Werk in Wien.

Stattdessen werden sie in andere Teile der Welt verschifft – Schweden, Norwegen, Großbritannien, Singapur. Jene Fahrzeuge, die an die deutsche Bundeswehr gehen, sind leicht erkennbar: Sie haben einen Tarndruck, während die Lkw für das österreichische Bundesheer ausschließlich dunkelgrün gefärbt sind. Die hellgrün gefärbten gehen an einen asiatischen Kunden. Auch wenn die Fahrzeuge in der großen Montagehalle für Laien nahezu gleich aussehen, ist jedes Fahrzeug für den Kunden entsprechend konfiguriert: "Ein Modell für einen asiatischen Kunden muss eine ganz andere Witterung, Luftfeuchtigkeit und Temperatur aushalten als eines für den skandinavischen Markt", heißt es vom Qualitätsmanagement.

12 Lkw pro Tag

Die Fahrzeuge, die im Werk in Liesing produziert werden, dienen als Brückenleger, Transport- oder Bergefahrzeug, können aber auch als Träger für taktische Systeme, Radare, Artillerie oder Flugabwehr, genutzt werden.

Aktuell verlassen über 2.800 Lkw pro Jahr, 12 Stück pro Tag das Werk. Künftig sollen es bis zu 4.000 Fahrzeuge sein. 50 Millionen Euro wurden in den letzten fünf Jahren in den Standort investiert.

Knapp eine Stunde dauert die Stippvisite des deutschen Bundespräsidenten im Werk: Nach einer Werksführung gibt es ein kurzes Probesitzen hinter dem Lenkrad eines rund 18 Tonnen schweren Wechselladesystems der deutschen Bundeswehr, danach Gespräche mit jungen Angestellten.

Die Werksbesichtigung, die im Rahmen Steinmeiers dreitägigem Staatsbesuch in Österreich stattfand, soll auf Wunsch des deutschen Bundespräsidenten stattgefunden haben. Dabei dürfte Steinmeier lange eine eher ambivalente Beziehung zum Rüstungskonzern gehabt haben.

Von Selenskij ausgeladen

Steinmeier, unter Kanzlerin Angela Merkel SPD-Außenminister, vertrat stets eine Ostpolitik à la Willy Brandt, gehörte der Russland wohl gesinnten Seite der SPD an. Seinen Parteistempel hat Steinmeier, dessen Mitgliedschaft in der SPD seit 2017 zwar ruhend gestellt ist, nie ganz verloren. Auch nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 durch Russland hielt Steinmeier an bilateralen Gesprächen mit Russland fest und war gegen Waffenlieferungen der USA an die Ukraine. In unzähligen Treffen hatte Steinmeier das Minsker Abkommen von 2015, das den Bürgerkrieg in der Ostukraine beenden sollte, mit verhandelt. Heute kann dies als sein größter außenpolitischer Erfolg – oder sein größtes Scheitern gesehen werden.

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine räumte Steinmeier öffentlich zwar Irrtümer ein, etwa das Festhalten am außenpolitischen Narrativ "Wandel durch Handel". Seine Unterstützung für Nord Stream 2 sei ein Fehler gewesen, so Steinmeier einmal in einem Interview. Vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij wurde er kurz nach Kriegsbeginn trotzdem lange nicht willkommen geheißen.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Staatsbesuch in Wien.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf Staatsbesuch in Wien.

Bei einer Podiumsdiskussion mit seinem österreichischen Amtskollegen Alexander van der Bellen am Dienstagabend betonten beide die Relevanz einer Neuordnung der europäischen Sicherheitsarchitektur. "Das bedeutet, uns militärisch entscheidend zu verstärken", so Steinmeier. Ziel sei es keinesfalls, Krieg zu führen, so der deutsche Bundespräsident. "Wir rüsten auf, um ernst genommen zu werden, in einer veränderten internationalen Situation."

Österreichs militärische Neutralität sei da kein Hemmnis – diese Meinung teilten sowohl Van der Bellen als auch Rheinmetall-Chef Papperger: "Wir sehen keinerlei Einschränkungen, und fühlen uns sehr gut aufgehoben in Wien.“ Rheinmetall sammelt dank der Aufrüstung Europas aus zahlreichen Ländern schwere Aufträge ein – zuletzt haben die Niederlande und Deutschland Schakal-Radschützenpanzer im Wert von drei Milliarden Euro bestellt. Im August hat die deutsche Bundeswehr mehr als 1.000 Logistikfahrzeugen bei RMMV bestellt, Auftragswert rund 770 Millionen Euro. Ein Teil davon dürfte auch in Wien ankommen. 

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