Referendum über Flüchtlingsquote: "Abstimmung ist verantwortungslos"

Ganz Ungarn ist zugeklebt mit Fidesz-Regierungswerbung.
Die Ungarn sollen Sonntag gegen die EU-Flüchtlingsaufteilung stimmen; in Brüssel ist man empört.

"In Ungarn wird Stimmung gegen die Europäische Union gemacht. Das ist unverantwortlich", empört sich Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament.

Am Sonntag entscheiden Ungarns Wähler in einem Referendum über die Flüchtlingsquote. Was immer die Motive von Premier Viktor Orbán sind, Ausbau seiner Macht oder Ablenkung von innenpolitischen Problemen, in der EU blickt man mit Sorge auf Budapest.

"Das Referendum ist der erste Schritt zum EU-Austritt", fürchten Diplomaten. Andere warnen vor einem Schneeball-Effekt: "EU-skeptische Staaten könnten ebenfalls auf den Geschmack kommen. Das halte ich für sehr gefährlich", betont Josef Weidenholzer, Menschenrechtssprecher der Europäischen Sozialdemokraten. "Was Orbán macht, ist ein Pokerspiel mit der EU."

Die Aufteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien ist seit Herbst 2015 EU-Gesetz – und müsste von allen Staaten befolgt werden. In Wirklichkeit sind nicht einmal 6000 umgesiedelt. Ungarn und die anderen Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei) lehnen die Aufnahme von Migranten prinzipiell ab: keine Fremden, schon gar keine Muslime, sollen kommen, lautet das Argument.

Unfaires Verhalten

Mit Solidarität hat Orbán bei Migranten ein Problem, wenn es um Geld der EU bzw. der europäischen Steuerzahler geht, findet er Solidarität selbstverständlich. Als wichtigste Investitionsstütze bekommt Ungarn im Zeitraum 2014 bis 2020 knapp 21 Milliarden Euro, dazu kommen noch rund zehn Milliarden Euro für die Landwirtschaft.

Auslandsungarn durften bereits abstimmen, in sozialen Medien ist von geringer Beteiligung die Rede. Für die Gültigkeit des Referendums ist mindestens ein Quorum von 50 Prozent erforderlich. Alles, was darunterliegt, wäre nach der massiven Werbung der Regierungspartei Fidesz wohl eine Niederlage für Orbán. "Fidesz macht Propaganda mit Staatsgeldern", kritisiert Weidenholzer.

In Brüssel stellen sich viele die Frage, wie lange die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) elf Fidesz-Abgeordnete noch duldet? Und wie die EVP mit Orbáns rechtsnationalistischer Partei umgeht? "Die Vorgangsweise von Orbán verdient keine Loyalität", distanziert sich Karas von dem Fidesz-Chef.

Rauswurf von Fidesz?

Er ist nicht der Einzige: In der Fraktion brodelt es gewaltig. Kürzlich kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Polnische Abgeordnete der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO), die in Polen gegen die Aushöhlung von Rechtsstaat und Demokratie durch die national-konservative Partei Recht und Gerechtigkeit kämpfen, verlangten den Ausschluss von Fidesz-Mandataren. Jaroslaw Walesa (Sohn des Solidarnosc-Gründers und polnischen Ex-Präsidenten Lech Walesa), forderte: "Ihr oder wir": Entweder Fidesz-Abgeordnete werden rausgeworfen oder PO-Leute verlassen die Fraktion. Eines ist fix, bestätigen EVP-Abgeordnete: "Der Streit geht nach dem Referendum weiter."

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