Rechtsradikale bei Polizei: „Moralisches Desaster“

Die Ermittlungen gegen Beamte im Frankfurter 1. Revier wurden auf weitere Dienststellen ausgeweitet
In Frankfurt wurde ein mutmaßliches rechtsextremes Polizei-Netzwerk aufgedeckt, nun gibt es weitere Verdachtsfälle.

Sie schickten einander Hakenkreuze, Hitlerbilder, dazu Texte, die sich gegen Flüchtlinge oder Behinderte richteten – der Frankfurter Polizeipräsident Gerhard Bereswill berichtete kürzlich im ZDF darüber, was sich in den Chatnachrichten von fünf Polizisten abspielte. Die Beamten sind derzeit suspendiert, es wird wegen Volksverhetzung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Doch das ist nicht alles. Wie die FAZ berichtete, soll die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz ein Fax bekommen haben, indem sie beschimpft und ihr gedroht wurde, ihre Tochter „zu schlachten“. Es soll ebenfalls von der Frankfurter Polizeidienststelle abgeschickt worden sein – Absender: „NSU 2.0“, benannt nach der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund", die bundesweit zehn Morde beging. Anwältin Basy-Yildiz vertrat mehrere Opfer.

Strukturelles Problem?

In Hessen ermittelt nun eine Arbeitsgruppe, laut FAZ auch über die Frankfurter Dienststelle hinaus, was zur Frage führt: Hat die Polizei ein strukturelles Problem mit Rechten in den eigenen Reihen? Rafael Behr, Kriminologe und Soziologe an der Hochschule der Hamburger Polizei, sieht aktuell weder einen Einzelfall noch eine Struktur, die das billigt, erklärt er dem KURIER. Allerdings ziehe die Polizei als Dienstgeber Menschen an, „die staatsbejahend sind, nach Ordnung suchen, eine wertkonservative Einstellung haben und tendenziell empfänglicher für autoritäres Denken sind“. Wenn sie in ihrer Arbeit an den „Schattenseiten der Gesellschaft“ wenig Erfolg verspüren, rechtlich nicht viel erreichen können, ziehen sie eigene moralische Schlüsse: „Das führt zu Verbitterung, die anfällig macht für rechtspopulistische Propaganda sowie rechtsextreme Positionen.“ Problematisch werde es, wenn sich diese Menschen zusammenschließen und abschotten. Das gehe heute einfacher im virtuellen Raum, sagt der Experte.

Vertrauensverlust

Das zeigte sich zuletzt in Sachsen, wo ein ehemaliger Polizeischüler mehrere Chatprotokolle seiner Ausbildungsgruppe veröffentlichte, die fremdenfeindliche Witze, Texte sowie Einstellungen der Kollegen nachwiesen. Ärgerlich sei, dass solche Chats oft wenig Konsequenzen haben, weil sie als privat eingestuft werden, sagt der Kriminologe. Das befürchtet er auch im Frankfurter Fall. „Sollte aber herauskommen, dass die Drohschreiben an die Anwältin von Polizisten stammen, ist es eine kriminelle Handlung und hat „neue Qualität“. Vor allem aber sei es ein „moralisches Desaster“, weil es das Vertrauen, das die Bevölkerung in die Polizei hat, mindert, sagt der Kriminologe. Dass Polizisten eine rechtsextrme Haltung haben sei schon schlimm genug. "Wenn sie nun aber auch Menschen bedrohen sollten, dann täten sie das Gegenteil von dem, was sie tun sollen, nämlich die Bevölkerung vor Kriminalität zu schützen."

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