Allerdings beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs erst – und Pécresse wird sich gegen die scharfe Konkurrenz von rechts durchsetzen und die Hardliner in der eigenen Partei in Schach halten müssen. Der Ex-Republikaner und Innenminister Gérald Darmanin sagte über sie, sie sei „eine respektable Frau“, die sich aber „in Geiselhaft der Radikalen in ihrer politischen Familie“ befinde.
Diese setzen sie unter Druck, seit der Rechtsaußen Éric Ciotti in der ersten Runde der parteiinternen Vorwahl vor ihr gelegen hatte. Dass Pécresse Ciottis Vorschlag eines „französischen Guantanamo“ für Islamisten ablehnte, nahm er ihr übel – und drohte, sich dem rechtsextremen Journalisten Éric Zemmour anzuschließen.
Also legte Pécresse, die eigentlich eine moderate Linie vertritt und als „Macron-kompatibel“ gilt, mit einem Programm nach, das sie selbst als „radikal“ bezeichnete: Sie werde die „unkontrollierte Immigration stoppen, die Ghettos zerschlagen, die Sicherheit wieder herstellen“, versprach sie.
Mit ihrem Wahlkampfspruch „Der Mut zu sagen, der Wille zu machen“ übernahm Pécresse einen älteren Slogan des rechtsextremen Front National, den Marine Le Pen inzwischen in Rassemblement National umbenannt hat. Das mag unbeabsichtigt gewesen sein, beweist aber für Pécresses Kritiker die Nähe zu den extremen Rechten.
Diese dominieren den Wahlkampf, während die Parteien im linken Spektrum kaum in der Öffentlichkeit durchdringen – was paradox erscheint, da deren Hauptthemen wie Kaufkraft und soziale Gerechtigkeit zu den größten Sorgen der Franzosen zählen.
Nach aktuellem Stand wollen gut ein Drittel aller Wählerinnen und Wähler ihre Stimme Le Pen oder Zemmour geben, darunter besonders viele unter 30-Jährige.
Nachdem Le Pen erneut aus dem Kampf gegen Immigration ihre zentrale Forderung macht, wurde sie nach der Kandidatur-Ankündigung Zemmours zeitweise in Umfragen von ihm überholt. Mehr noch als sie ordnet der 63-Jährige dem Thema Einwanderung alle anderen unter, will Muslimen in Frankreich die Abkehr von ihrem Glauben abverlangen und Ausländern weniger Rechte zugestehen.
Am Rande seiner ersten großen Wahlkampfveranstaltung, bei der er sich zum „Retter“ eines Landes kurz vor dem Untergang stilisierte, kam es zu gewalttätigen Zusammenstößen. Zemmour dürfte zu (rechts-)radikal sein, um echte Wahlchancen zu haben. Aber die Tonlage in diesem Wahlkampf vorzugeben und einen Rechtsruck auszulösen, gelingt ihm schon jetzt.
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