Reaktionen zu Belarus-Wahl: Putin und Xi gratulieren, Polen fordert EU-Sondergipfel

Reaktionen zu Belarus-Wahl: Putin und Xi gratulieren, Polen fordert EU-Sondergipfel
Nach einer gewaltvollen Nacht hat die Wahlkommission Staatschef Lukaschenko zum Sieger der Präsidentenwahl erklärt. Kritik kommt aus Warschau, Grüße aus Moskau.

Auf den Straßen in Minsk und anderen Städten der Ex-Sowjetrepublik, die zwischen dem EU-Mitglied Polen und Russland liegt, war es in der Nacht zu schweren Zusammenstößen von Sicherheitskräften mit Bürgern gekommen. Es gab Dutzende Festnahmen und viele Verletzte.

Aus dem Nachbarland Polen kommen nun Forderungen nach einem EU-Sondergipfel zur Lage in der Ex-Sowjetrepublik gefordert. Die weißrussischen Behörden seien gewaltsam "gegen ihre Bürger vorgegangen, die Veränderung in ihrem Land fordern", erklärte der Polens Premier Mateusz Morawiecki am Montag. "Wir müssen das weißrussische Volk in seinem Bestreben nach Freiheit unterstützen."

EU-Ratspräsident Charles Michel hat das aggressive Einschreiten von Sicherheitskräften nach der Präsidentenwahl scharf verurteilt. „Die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die grundlegenden Menschenrechte müssen gewahrt werden", forderte der Belgier am Montag. "Gewalt gegen Demonstranten ist nicht die Antwort."

Aus Moskau kam indessen ein Glückwunsch-Telegramm: Wladimir Putin gratulierte Amtsinhaber Alexander Lukaschenko, ebenso Chinas Staatschef Xi Jinping.

Wie Medien die Situation kommentieren

Rzeczpospolita (Warschau): "Es sieht nicht so aus, als wolle (Präsident Alexander) Lukaschenko abtreten. Der Ausgang des Ringens wird letztlich wesentlich von der Reaktion des wichtigsten Nachbarn (Russland) abhängen. Sollte sich der Kreml entscheiden, gegen Lukaschenko aufzutreten, dann ist sein Los vorbestimmt. Nicht ohne Grund haben russische Politiker zuletzt suggeriert, dass er durch einen Putsch von Generälen zu Fall gebracht werden könnte. Die Grenze zwischen der russischen Armee und der Armee von Belarus ist ebenso schwer auszumachen wie die Grenze zwischen beiden Staaten."

Gazeta Wyborcza (Warschau): "Wir blicken heute mit Angst und Hoffnung nach Belarus. Egal, was die Propaganda von (Präsident Alexander) Lukaschenkos Apparat nach der Wahl verkündet: Die Demokratie in Belarus kann heute schon von einem großen Sieg sprechen. Dieser Wahlkampf, diese Tausenden Menschen, die Veränderungen fordern, das ist ein großer Schritt der Gesellschaft zur Freiheit. Die großen Demonstrationen sind ein Beweis dafür, dass die Zivilgesellschaft in Belarus lebt und stärker wird. Diese Lektion in Freiheit werden die Menschen in Belarus nie mehr vergessen. Die sechste Präsidentenwahl in Belarus wird in die Geschichte eingehen - nicht nur wegen der Skala der Repressionen, die die Führung schon zu Beginn des Wahlkampfes ausgeübt hatte. Sondern auch wegen des Ausmaßes des Protestes, der Unzufriedenheit und des Widerstands, den die Bürger zum Ausdruck gebracht haben."

Kommersant (Moskau): "Es war die dramatischste Präsidentenwahl in Belarus in der Geschichte des Landes. Der amtierende Staatschef Alexander Lukaschenko war zum ersten Mal mit einer vereinten Opposition konfrontiert, und sein Hauptgegner war auch noch eine Hausfrau. Nämlich Swetlana Tichanowskaja, die Ehefrau des inhaftierten Bloggers Sergej Tichanowski. Weil die Proteststimmung am Tag der Abstimmung so zugenommen hat, wurden ganze Armeeeinheiten mobilisiert, das Internet und Mobilfunknetz funktionierten kaum noch. Die Opposition geht nicht davon aus, dass der haushohe Sieg von Alexander Lukaschenko stimmt. Sie ist bereit für weitere Proteste. Doch Lukaschenko hat bereits klargemacht, dass seine Antwort hart sein wird. Es war also eine Wahl in bester belarussischer Tradition."

Nesawissimaja Gaseta (Moskau): "Belarus wird nicht das Land bleiben, wie es Staatschef Alexander Lukaschenko bisher kannte. Das Land hat sich verändert. Das war in der Auswahl der Kandidaten gut zu sehen und auch die massive Unterstützung der Bevölkerung hat das ganz deutlich gezeigt. Dass die Unzufriedenheit mit der Macht größer geworden ist, versteht Lukaschenko. Ebenso weiß er, dass eine nächste Amtszeit für ihn nicht einfach werden könnte. Der Präsidentschaftswahlkampf und auch die Abstimmung in Belarus sind absolut nicht nach Drehbuch gelaufen, weder für die Behörden noch für die traditionelle Opposition."

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