Razzia: Was über die Festnahmen der deutschen Rechtsterroristen bekannt ist
Die deutsche Bundesanwaltschaft hat acht mutmaßliche Rechtsterroristen in Deutschland und in Polen festnehmen lassen. Gleichzeitig werden rund 20 Objekte durchsucht, wie die Karlsruher Behörde am Dienstag mitteilte. Auch in Österreich finden demnach Durchsuchungen statt. Die Räumlichkeiten von "nichttatverdächtigen Personen" in Wien und im Bezirk Krems-Land seien betroffen. Die Bundesanwaltschaft wirft den Beschuldigten vor, den "Sächsische Separatisten" anzugehören.
Unter den Festgenommenen sollen sich nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins „Spiegel“ (online) auch die Brüder Jörg und Jörn S. befinden, die zur Familie eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten gehören sollen. Jörg S. wurde laut Bundesanwaltschaft in Zgorzelec, der polnischen Schwesterstadt von Görlitz in Sachsen, festgenommen.
Früherer Politiker der FPÖ?
Die Berliner Tageszeitung „taz“ berichtete online, dass Jörg S. der Rädelsführer der Gruppe gewesen sein soll. Sein Großvater soll angeblich laut „taz“ ein früherer Politiker der FPÖ und sein Vater ein mehrfach verurteilter österreichischer Rechtsextremist sein. Bei zwei weiteren Brüdern fanden demnach Durchsuchungen statt, aber keine Festnahmen, hieß es in dem Bericht. Offiziell bestätigte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe diese Angaben der APA gegenüber nicht.
Was wissen die Sicherheitsbehörden über die mutmaßlichen Terroristen?
Ein junger Mann aus der sächsischen Kleinstadt Brandis gilt als Rädelsführer. Er soll die Gruppe, auf die der deutsche Verfassungsschutz im November 2020 aufmerksam wurde, gegründet haben. Unter den festgenommenen mutmaßlichen Terroristen befindet sich nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" auch der sächsische AfD-Lokalpolitiker Kurt H., der als Schatzmeister des sächsischen AfD-Jugendverbands "Junge Alternative" fungiere und im Stadtrat der Gemeinde Grimma sitze. Die Vereinigung besteht laut Generalbundesanwalt aus 15 bis 20 Mitgliedern, die eine rassistische, antisemitische Ideologie verfolgen, die sich am Nationalsozialismus orientiert.
Der Präsident des deutschen Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärt: "Bei zentralen Protagonisten dieser Gruppierung handelt es sich um teils sehr junge Rechtsextremisten, die Bezüge zu einer insbesondere im virtuellen Raum aktiven Szene aufweisen." Es geht um die sogenannte "Siege-Szene".
Was ist die "Siege-Szene"?
"Siege" (Englisch für Belagerung) bezieht sich auf eine Sammlung von Schriften aus den 1980er Jahren des Rechtsextremisten James Nolan Mason. Darin finden sich unter anderem Gedankenspiele hinsichtlich eines rassistisch-terroristischen Guerillakrieges, der sich primär gegen Infrastruktur und politische Führungspersonen richten soll, um die Gesellschaft in einen Rassenkrieg zu stürzen. Anhänger dieser Szene glorifizierten Taten bekannter Rechtsterroristen und verfolgten das Ziel, an einem erwarteten gewaltsamen Umsturz - "Tag X" - mitzuwirken, sagt Haldenwang.
Handelt es sich um typische Neonazis?
Teilweise. Dem Verfassungsschutz sind mehrere der Beschuldigten laut Haldenwang aus dem Spektrum der sogenannten Neuen Rechten beziehungsweise rechtsextremistischen Parteien bekannt. Gemeinsames Ziel der Mitglieder der Gruppe sei es gewesen, ein System nach dem Vorbild des Nationalsozialismus zu errichten, auch unter Anwendung von Gewalt.
Sind die Ermittlungen jetzt abgeschlossen?
Nein. Bei den Festnahmen wurden Beweismittel gesichert, die nun ausgewertet werden und womöglich noch weitere Erkenntnisse bringen. Diese könnten womöglich auch Hinweise auf weitere Beschuldigte liefern. So war es beispielsweise bei der "Reichsbürger"-Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß, wo der Kreis der Beschuldigten in den Wochen und Monaten nach dem ersten Zugriff immer größer wurde.
Gab es auch polizeiliche Maßnahmen im Ausland?
Ja. Deshalb mussten sie mit den Sicherheitsbehörden in Polen und Österreich koordiniert werden. Insgesamt waren bei den Festnahmen und Durchsuchungen in Deutschland über 450 Sicherheitskräfte und Polizeibeamte des Bundeskriminalamts (BKA), Spezialkräfte der Bundespolizei und des Landeskriminalamts Sachsen im Einsatz. Die Festnahmen der jungen Männer erfolgten bis auf eine Ausnahme alle in Sachsen, genauer gesagt im Raum Leipzig, in Dresden und im Landkreis Meißen. Der mutmaßliche Anführer hielt sich zum Zeitpunkt des Zugriffs zwar in Polen, in der Grenzstadt Zgorzelec, auf. Doch auch er stammt aus Sachsen.
In Österreich - in Wien und im Bezirk Krems-Land - durchsuchte die Polizei zwar zwei Objekte. Festgenommen wurde dort aber niemand. Die österreichischen Behörden leisteten auf Ansuchen Deutschlands Amtshilfe, teilte das Innenministerium der APA mit. Unter den Festgenommenen sollen sich nach "Spiegel"-Informationen auch die Brüder Jörg und Jörn S. befinden, die zur Familie eines bekannten österreichischen Rechtsextremisten gehören sollen. Das Innenministerium konnte diese Information nicht bestätigen.
Was wird den Festgenommenen genau vorgeworfen?
Sie sind laut Mitteilung des Generalbundesanwalts dringend verdächtig, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, geplant zu haben an einem zeitlich noch unbestimmten "Tag X" in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Bundesländern ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Gemeinwesen zu etablieren und "unerwünschte Menschengruppen" notfalls "durch ethnische Säuberungen" aus diesem Gebiet zu entfernen.
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