Der Li-Andersson-Effekt
In Finnland war Li Andersson, 37, die strahlende Gewinnerin des Abends. Mit ihrer Linksallianz räumte die bekennende Marxistin 17,3 Prozent ab, landete auf Platz zwei hinter der regierenden konservativen Sammlungspartei. Andersson war bis vor einem Jahr Teil der Regierung unter Sanna Marin, die bekanntlich so jung und so weiblich war wie keine Koalition zuvor. Als Marin die politische Bühne vor einem Jahr verließ, weil Konservative mit den rechtspopulistischen Wahren Finnen die Regierung übernahmen, richteten sich alle Blicke auf Andersson. Sie hatte als Bildungsministerin einen respektablen Job gemacht, das brachte ihr jetzt die Sympathie der Wähler ein.
Abgestraft haben die finnischen Wähler dafür die Rechtspopulisten, die seit ihrem Amtsantritt einen Skandal nach dem nächsten geliefert hatten. Zuletzt stolperte der Wahre-Finnen-Wirtschaftsminister über seine Forderung nach Abtreibungen in Afrika wegen der Klimakrise. Bei der Wahl setzte es dafür schlappe 7,6 Prozent – das ist gerade mal ein Drittel des Ergebnisses von vor einem Jahr.
Abgestrafte Schwedendemokraten
In Schweden war die Lage ähnlich. Dort landeten die oppositionellen Sozialdemokraten unter der Magdalena Andersson auf Platz eins, die Grünen und die Linkspartei erzielten mit 13,8 und 11 Prozent Rekordergebnisse. Die konservative Regierung hingegen schaute durch die Finger: Die Moderaten – die bei der Wahl 2022 ähnlich wie einst ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel nur auf Platz drei gelandet waren und nur durch die Duldung der rechtspopulistischen Schwedendemokraten regieren können – landeten abgeschlagen auf Platz zwei. Und die Rechtspopulisten selbst, die bei der Reichstagswahl noch 20 Prozent geholt hatten, sackten gleich auf 13 Prozent ab.
Die Gründe dafür waren ähnlich wie beim Nachbarn Finnland: Skandale, Skandale, Skandale. Erst kürzlich war publik geworden, dass die Schwedendemokraten eine Trollfabrik betreiben, mit der das Netz mit Fakenews, Deepfake-Videos und Lügen aller Art geflutet wird – das spürten sie an der Wahlurne.
Auch in Dänemark sorgte eine junge Frau für die Überraschung des Abends. Kira Marie Peter-Hansen, 26, landete mit ihrer Sozialistische Volkspartei auf Platz eins – und damit deutlich vor den regierenden Sozialdemokraten von Mette Frederiksen. Peter-Hansen ist die jüngste jemals ins Europäische Parlament gewählte Abgeordnete, sitzt dort seit 2019; sie profitierte vom Unmut der Dänen über die regierende Koalition der Sozialdemokraten mit den Konservativen.
Klima statt Ausländer
Die Rechtspopulisten, in Dänemark traditionell immer stark, litten hingegen unter ihrer eigenen Zersplitterung. Die alteingesessene Dansk Folkeparti, das Pendant zur FPÖ, halbierte sich, die neue Konkurrenz Dänemarkdemokraten holte 7,4 Prozent.
Dass die Rechtspopulisten durch die Bank verloren, hatte auch mit den beherrschenden Themen zu tun. Skandinavien diskutierte – trotz grassierender Probleme – nicht über Migration wie Resteuropa, sondern über die Klimakrise. Das ist bekanntlich ein Thema, mit dem die Rechtspopulisten kaum gewinnen können.
Nur: Ob das auch auf den Rest Europas ausstrahlen wird, muss sich zeigen. Marlene Wind, Politoligin an der Uni Kopenhagen, ist sich da aber ziemlich sicher: "Wir widersetzen uns nicht dem Trend", sagte sie dem Guardian. "Wir sind in der Kurve einfach ein bisschen voraus."
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