Ratspräsident Charles Michel: Geübter Schmied des Kompromisses

Neuer EU-Ratspräsident Charles Michel (l.) und sein Vorgänger Donald Tusk
Der Belgier Charles Michel hat - mit Schub von Frankreichs Präsident Macron - die Nachfolge Donald Tusk angetreten.

Sein neuer Arbeitsplatz ist nur ein paar hundert Meter von seinem früheren im Palais des belgischen Ministerpräsidenten entfernt: Am Freitag hat Belgiens Ex-Premier Charles Michel sein neues Büro im Europäischen Ratsgebäude bezogen. Der 43-jährige Wallone ist der bei weitem jüngste Präsident, den der Rat der Europäischen Union je gesehen hat – und dennoch ein Politikveteran.

Die Politik wurde dem Sohn von Belgiens früherem Premier Louis Michel – ja, genau der, der einst die EU-Sanktionen gegen Österreich befürwortet hatte – in die Wiege gelegt. Mit 18 saß der Jugendliche bereits in einem Regionalparlament, mit 23 im Bundesparlament, mit 24 war er Minister und mit 38 Chef einer Regierung, die in Belgien unter dem Namen „Kamikaze-Koalition“ startete.

Aber die inhomogene Koalition, die mehrere Jahre bis letzten Dezember hielt, war kein politisches Selbstmordkommando. Im Gegenteil bewies der konsensorientierte Liberale, dass er zusammenzuhalten vermag, was oder wer nicht immer an einem Strang zieht. Auf europäischer Ebene kann dies dem Nachfolger von Donald Tusk nur zu Gute kommen.

Fünf Jahre lang leitete der Pole den EU-Rat, war damit zuständig für die Organisation aller EU-Gipfeltreffen und auch für eine Art innereuropäischen Brückenbauer. Mit eigenwilligem Humor und pointierter Meinungsbekundung ärgerte Tusk oft die Staats- und Regierungschefs.

Vom Charles Michel ist wenig Provokation zu erwarten. Dass er Ratspräsident wurde, liegt an Emmanuel Macron. Mit massivem Einsatz verhalf der französische Staatschef dem frankophonen Michel an die Spitze des Rates.

Die erste Aufgabe des neuen Ratspräsidenten, der immer auch den Job des europainternen Moderators übernehmen muss, lautet also: Er muss beweisen, dass er nicht der Handlanger Macrons ist.

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