Raketen, Drohnen und brennendes Wahllokal: Ukraine verstärkt Angriffe auf Russland
Die Angriffe russischer Paramilitärs aus der Ukraine auf die Grenzgebiete Belgorod und Kursk in Russland halten die Moskauer Führung während der Präsidentenwahl in Atem. Präsident Wladimir Putin werde ständig über die Angriffe informiert, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow am Samstag.
In der Gebietshauptstadt Belgorod wurden zwei Menschen durch Raketenbeschuss getötet. Russland meldete am Sonntag den Abschuss von 35 ukrainischen Drohnen in acht Regionen, darunter Moskau.
Vier Drohnen seien über Moskau abgefangen worden, hieß es. Vorfälle gab es demnach auch in den Regionen Belgorod, Kaluga, Oriol, Rostow, Jaroslawl, Kursk und Krasnodar.
Dort sei eine Ölraffinerie angegriffen worden. Ein Feuer sei schnell gelöscht worden. Ein Mensch sei durch einen Herzinfarkt gestorben. Die Arbeiter der Raffinerie seien evakuiert worden. Über dem Grenzgebiet Brjansk südwestlich von Moskau wurde demnach eine umfunktionierte Flugabwehrrakete S-200 abgeschossen.
Die Ukraine wehrt seit über zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab und trägt mittlerweile den Krieg mit verbesserten Kampfdrohnen immer öfter zurück nach Russland. Präsident Wolodimir Selenskij nannte die höhere Reichweite eine wichtige Stärkung des militärischen Potenzials.
Zehn Dörfer ohne Strom
Für die Ukraine begann der 753. Kriegstag aber ebenfalls mit Luftalarm. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe drohten im Nordosten russische Flugzeuge, Gleitbomben abzuwerfen. Im Süden flogen vom Schwarzen Meer russische Drohnen in Richtung der Hafenstadt Odessa.
Im russischen Landkreis Grajworon direkt an der ukrainischen Grenze waren nach Angaben des Gebietsgouverneurs von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, in der Nacht auf Sonntag noch etwa zehn Dörfer ohne Strom nach Beschuss von der ukrainischen Seite.
Am Samstag war auch die Gebietshauptstadt Belgorod selbst betroffen, die etwa 50 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Zwei Menschen kamen durch Raketenangriffe ums Leben, mehrere Personen wurden nach Gladkows Angaben verletzt.
Schon in den vergangenen Tagen hatte es im Gebiet Belgorod sowie im Gebiet Kursk Angriffe gegeben, zu denen sich russische Paramilitärs bekannten. Sie kämpfen aufseiten der Ukrainer und sind erklärte Gegner Putins.
Dabei ist die militärische Lage in den Grenzdörfern unklar. Kremlsprecher Peskow bekräftigte am Samstag, dass die Versuche, nach Russland einzudringen, gescheitert seien. Andere Angaben deuten darauf hin, dass noch Angreifer auf russischem Gebiet sind.
"Terrorangriffe intensiviert"
Als Anzeichen dafür, dass der Kreml die Entwicklung ernst nimmt, hatte Putin schon am Freitag persönlich reagiert. Er sagte, die Angreifer wollten die Präsidentenwahl stören. Das werde aber nicht gelingen, weil das russische Volk sich geschlossen dagegen stellen werde. "Das korrupte Regime in Kiew hat seine Terrorangriffe wegen der Präsidentenwahl in Russland intensiviert", erklärte das russische Außenministerium in Moskau am Samstag.
Die Regierung in Kiew gibt vor, dass russische Verbände wie die Legion Freies Russland oder das Bataillon Sibir bei den Angriffen in Russland auf eigene Faust handeln. Es liegt aber nahe, dass ihre Waffen bis hin zu Panzern aus ukrainischen Beständen stammen.
Die exilrussischen Einheiten hätten die Ukraine vom ersten Tag des Krieges im Februar 2022 an unterstützt, sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, Kyrylo Budanow, im Fernsehen. "Wir versuchen, ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen."
Fünfte Amtszeit Putins
Bei der Wahl will sich Putin eine fünfte Amtszeit sichern. Sie findet aber unter völliger Kontrolle der Behörden statt. Der Kremlchef hat keine wirklichen Gegenkandidaten. Beobachter verweisen auf Wahlbetrug. International kritisiert wird, dass Moskau diese Scheinabstimmung illegalerweise auch in den besetzten ukrainischen Gebieten durchführt.
Russischen Angaben zufolge griff die ukrainische Armee auch ein Wahllokal in der besetzten Region Saporischschja mit zwei Drohnen an. Das Gebäude habe Feuer gefangen, schreibt der von Russland eingesetzte Gouverneur Wladimir Rogow im Kurznachrichtendienst Telegram. Es habe keine Verletzten gegeben.
20 Menschen getötet
Russland griff indes neuerlich die Schwarzmeerstadt Odessa an. Nachdem dort am Freitag mehr als 20 Menschen durch einen Angriff getötet worden waren, gab es diesmal offenbar nur Sachschaden. 13 der 14 Drohnen seien zerstört worden, teilte das ukrainische Militär mit. Mehrere Gebäude seien beschädigt worden. Die ausgebrochenen Brände habe man "sofort" löschen können.
Der ukrainische Präsident Selenskij lobte indes die große Reichweite der ukrainischen Drohnen. "In diesen Wochen haben viele bereits gesehen, dass das russische System der Kriegsführung Schwachstellen hat und dass wir diese Schwachstellen mit unseren Waffen erreichen können", sagte er am Samstag in seiner abendlichen Videobotschaft. Er bezog dies offensichtlich auf mehrere erfolgreiche Angriffe ukrainischer Drohnen auf russische Raffinerien, die weit im Hinterland des Feindes liegen.
In der Nacht auf Samstag waren drei Ölanlagen im russischen Gebiet Samara an der Wolga angegriffen worden, das mehr als 1.000 Kilometer östlich der Ukraine liegt. Mit solchen Attacken will die Ukraine die russische Treibstoffproduktion stören, damit das Militär weniger Nachschub bekommt. Auch die Einnahmen aus der Ölproduktion, mit denen Moskau seinen Krieg finanziert, sollen geschmälert werden.
Über die technische Weiterentwicklung der ukrainischen Drohnen ist bisher wenig bekannt; ihr erfolgreicher Einsatz über große Strecken ist aber seit einigen Wochen belegt. "Fortan wird die Ukraine immer über eigene Schlagkraft am Himmel verfügen", sagte Selenskij.
Kommentare