Nordkorea: "Kim spielt taktisches Spiel mit Westen"
Es hatte schon so gut ausgesehen, doch gestern die Ernüchterung. Nach Wochen des Tauwetters auf der Koreanischen Halbinsel hat Nordkoreas Machthaber
Kim Jong-un nun die Reißleine gezogen. Weil Südkorea und die USA an der Grenze ihr alljährliches Militärmanöver abhalten und damit Kims "Friedensbemühungen und gute Absichten" untergraben, sagt der Machthaber ein für heute, Mittwoch, anberaumtes Treffen mit dem Präsidenten Südkoreas ab.
Was ist das für ein Militärmanöver?
Das Manöver „Max Thunder“ findet jährlich statt. Es simuliert einen Angriff auf den Norden (bzw., so heißt es unter manchen Experten, auf China) und hat am 11. Mai begonnen. „Es gibt ständig Manöver“, sagt Koreanologe Rainer Dormels von der Universität Wien. Unter diesen ist dieses Luftmanöver eher ein kleineres. Für Nordkorea ist es trotzdem eine Bedrohung, zumindest wird es so dargestellt.
War das Manöver wirklich der Auslöser dafür, dass Kim Jong-un das heutige Treffen mit Vertretern Südkoreas absagt?
Auf das Treffen einigte man sich am Dienstag, da lief das Manöver unweit der Grenze allerdings schon seit einigen Tagen. Sehr überraschend kann es für Kim nicht gekommen sein. Dennoch könne es durchaus ein Auslöser für den vorläufigen Rückzug Pjöngjangs aus den Gesprächen sein, so Dormels. Die nordkoreanischen Proteste gegen
Militärmanöver hat es immer gegeben. Außerdem sei es, so der Koreanologe, ein „taktisches Spiel“ Kims. Er bringt nun wieder die atomare Abrüstung in die Diskussion, um Druck auf die USA auszuüben.
Wurde das Manöver nicht beim jüngsten Besuch des US-Außenministers Mike Pompeo in Nordkorea besprochen?
Pompeo war in den vergangenen Wochen zweimal persönlich in Nordkorea und traf Machthaber Kim Jong Un. Die Besuche dienten unter anderem auch der Vorbereitung des Gipfeltreffens zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump am 12. Juni in Singapur. Er verlangte von Pjöngjang die völlige Aufgabe des Atomprogramms und sagte dem Nordkoreanischen Volk Sicherheit zu. Es ist aber schwer zu sagen, was bei den Treffen genau besprochen oder festgelegt wurde.
Warum fällt es den beiden Seiten so schwer, einander zu vertrauen und bei den Abmachungen zu bleiben?
„Wenn man mit Nordkorea dealt, kann immer am letzten Tag noch eine Absage kommen“, sagt der Koreanologe Rainer Dormels, der das auch etwa von wissenschaftlichen Tagungen kennt. Gleichzeitig ist von nordkoreanischer Seite auch schwer einzuschätzen, was der Westen bzw. der Süden verfolgen. Da gibt es zwei Herangehensweisen. Erstens jene, dass Nordkorea jegliche Atomrüstung abschaffen müsse, bevor man ihm (wirtschaftlich) entgegenkommen kann. Diese – softere – Linie scheint Donald Trump zu vertreten. Oder zweitens, dass man um jeden Preis verhindert, dass der wirtschaftliche Unterschied zwischen dem Norden und dem Süden noch größer wird als er ohnehin schon ist. Diese Linie vertritt der südkoreanische Präsident
Moon Jae-in (im Gegensatz zu seinen Vorgängern). Er möchte Nordkorea wirtschaftlich auf die Beine helfen, ungeachtet seines Atomprogramms.
Kann man mit jemandem wie Kim Jong-un überhaupt Vereinbarungen treffen?
Rainer Dormels erklärt, dass Kim zwar „mal so, mal so“ reagiert, jedoch aber eine klare Linie hat: Regimeerhalt. Er benötigt daher seine Atomwaffen quasi als Selbstschutz. Gleichzeitig will sich Kim nun, da sein Atomprogramm ja angeblich abgeschlossen ist und er der Welt bewiesen haben will, dass er die USA bedrohen kann, auf die wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren. Das ist aber nur möglich, wenn man nicht mehr nur auf China angewiesen ist. Er braucht also eine Kooperation mit Südkorea und den USA. „Wenn nun die USA aber darauf bestehen, dass Pjöngjang seine Atomwaffen zur Gänze abbauen, dann ist fraglich, ob Kim darauf einsteigt“, so Dormels.
Wird das Treffen in Singapur am 12. Juni nun stattfinden oder nicht?
Das ist noch nicht endgültig klar. Die USA bleiben jedenfalls dabei, das Treffen vorzubereiten.
Kommentare