Putins Kater nach dem Goldrausch

Flucht aus Euro und Dollar in Gold - das Staatsvermögen schrumpfte um fünf Prozent.

Weißgold? Die Kundin eines Moskauer Juweliergeschäftes rümpft das Näschen. Es muss immer die Farbe der Sonne sein: Gelbgold, das Edelmetall der Götter. Gold ist das Wort, das auch in russischen Volksmärchen am häufigsten vorkommt. Kirchen sind von goldenen Kuppeln gekrönt, Kremltüren mit Goldstuck verziert.

Nicht nur die Zaren frönten dem Goldrausch. In den wilden Neunzigern, als Hyperinflation von bis zu 5000 Prozent die kargen Löhne der Russen auffraß, verplemperte Boris Jelzin kiloweise Gold für die Restaurierung des Kreml. Sein eher pragmatisch veranlagter Nachfolger Wladimir Putin dagegen sammelt Goldbarren. Nicht für den Eigenbedarf, sondern für Mutter Heimat – blöd nur, dass Gold gerade immer weniger wert ist.

Der Kaufrausch begann gleich nach der Münchner Sicherheitskonferenz 2006, wo Putin deutlich auf Distanz um Westen ging. Durch Umschichtung sollte auch die Staatsreserve, die damals vor allem aus US-Dollar bestand, vom Westen unabhängiger werden. Doch statt auf den angeblich bärenstarken Rubel setzte der Kremlchef auf Gold. Kaufen, kaufen und nochmals kaufen lautet seither die Direktive für die russische Zentralbank. Deren Goldbestände haben sich inzwischen mehr als verdreifacht. Derzeit bunkern die Währungshüter in ihren Tresoren fast 1200 Tonnen.

Seit der Ukraine-Krise ist für Russland auch der Euro als Reservewährung out. Und die Währung des Bruders und strategischen Partners China – der Yuan – ist bisher nicht frei konvertibel. Also macht Russland weiter in Gold. Allein im Juni sind noch einmal 24,2 Tonnen hinzugekommen

Doch eine Geldpolitik, die von Ideologie bestimmt wird, kann auch kräftig schief gehen. Und selbst linientreue Experten sorgen sich inzwischen: Russland sei in die Goldfalle getappt.

Goldpreis-Verfall

In der Tat. Der Preis für eine Unze ist so tief wie seit fünf Jahren nicht mehr. Gold gilt bei Anlegern inzwischen als uncool. Putins Nibelungenhort schmilzt daher wie Butter an der Sonne. Real ist Moskaus eiserne Reserve derzeit nur so viel wert wie im Herbst 2011: 358 Milliarden Dollar. Obwohl die Zentralbanker seither 439 Tonnen Gold dazukauften. Denn seit Anfang 2014 hat Gold ein Fünftel seines Wertes eingebüßt. Und unter dem Strich hat Putin beim Staatsvermögen einen Verlust von fünf Prozent zu verantworten. Das sind 15 Milliarden US-Dollar – viel Geld für das von Rezession und Ölpreisverfall derzeit ohnehin gebeutelte Russland.

Licht am Ende des Tunnels ist nicht in Sicht. Selbst Optimisten gehen davon aus, dass der Dollar in überschaubaren Zeiträumen weiter zulegen wird. So wie immer, wenn weltweit die Ölpreise fallen. Die Folge: Gold verliert als Ersatzwährung weiter an Bedeutung. Goldman-Sachs-Analysten schließen nicht aus, dass der Preis für eine Unze Feingold unter die magische Grenze von 1000 Dollar fallen könnte.

Zu spät für Verkauf

Für einen Kurswechsel ist es zu spät. Jetzt Teile der Goldreserven zu verkaufen, hieße, Feuer mit Benzin löschen zu wollen. Die Mengen, die Moskau auf den Markt werfen würde – die Zentralbank hortet Bestände im Wert von 45 Mrd. US-Dollar – würden den Goldpreis noch tiefer in den Keller drücken.

Putin kann nur beten, dass die Massen nicht merken, wie er sich verspekuliert hat. Der Wertverlust des Staatsschatzes spielte daher in russischen Medien bisher kaum eine Rolle. Und nichts deutet darauf hin, dass Putin ein ideologisches Wendemanöver auch nur in Erwägung zieht. Pünktlich zum Jahrestag des EU-Lebensmittelembargos, mit dem Moskau Europas Sanktionen parierte, soll die Vernichtung aller illegal importierten Agrarerzeugnisse anlaufen.

Berlin strebt laut Diplomaten eine Wiederbelebung des NATO-Russland-Rates an. Das sagte der langjährige deutsche Spitzendiplomat bei der NATO Martin Erdmann in einem Interview mit der dpa. Darin spricht er sich einerseits für „Rückversicherungs-Maßnahmen hinsichtlich der kollektiven Verteidigung“ – also Militärübungen und Truppenstationierungen in Osteuropa – aus, aber auch dafür, wieder in einen Dialog zu treten. Berlin befürworte das ganz klar, so Erdmann, in der NATO gebe es aber keinen Konsens darüber. Der NATO-Russland-Rat, ein Verbindungs-Gremium auf Diplomatenebene, war 2002 gegründet worden und hatte angesichts der Ukraine-Krise im Juni 2014 zuletzt getagt.

Zugleich verhängten die USA nun neue Sanktionen gegen Russland. Betroffen sind zwei Dutzend Institutionen und Einzelpersonen, deren Konten in den USA eingefroren wurden. Darunter befinden sich Unterstützer bei der Umgehung bisheriger Sanktionen, Vertreter der russischen Rüstungsindustrie sowie Hafenbetreiber auf der Krim.

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