Putin verleibt sich weitere Ukraine-Gebiete ein
Zu seinem 70. Geburtstag am 7. Oktober macht sich Russlands Präsident Wladimir Putin schon heute, Freitag, sein wohl größtes Geschenk, allerdings eines, das mit Blut und internationaler Ächtung erkauft wurde. In einer Zeremonie im Kreml um 14 Uhr (MESZ) will der Kriegsherr "Abkommen über den Beitritt neuer Gebiete in die Russische Föderation" unterzeichnen, wie sein Sprecher Dmitri Peskow tags davor lapidar wissen ließ. Konkret: Die ukrainischen Regionen Lugansk, Donezk sowie Cherson und Saporischschja sollen offiziell annektiert werden.
"Diktatfrieden"
Dort waren zuletzt Referenden über den Anschluss an Russland abgehalten worden – mit Ergebnissen, die an die finsteren Zeiten der Sowjetdiktatur erinnern. Laut offiziellen Abgaben stimmten bis zu 98 Prozent der Menschen dafür. Die Ukraine und der Westen bezeichnen diese Volksabstimmungen als "Farce". Die Männer und Frauen seien unter Drohungen und manchmal sogar mit vorgehaltener Waffe "aus ihren Wohnungen und von ihren Arbeitsplätzen geholt und gezwungen worden, ihre Stimme abzugeben und den Wahlzettel in eine gläserne Wahlurne zu stecken", erhob die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schwere Vorwürfe. Das sei ein "Diktatfrieden".
Putin erkennt Cherson und Saporischschja als unabhängig an
Putin hat in der Nacht auf Freitag in einem weiteren völkerrechtswidrigen Akt die besetzten ukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja als unabhängige Staaten anerkannt. Die entsprechenden Dekrete gelten als Voraussetzung dafür, dass die Regionen ihre Aufnahme in die Russische Föderation beantragen können. Am 21. Februar hatte Putin bereits die Unabhängigkeit der ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk, die sich "Volksrepubliken" nennen, anerkannt.
Kiew werde den Verlust dieser Gebiete, das machten die Verantwortlichen immer klar, jedenfalls niemals akzeptieren. Präsident Wolodymyr Selenskij, der für heute eine dringliche Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates einberufen hat, hat stets betont, die fraglichen Gebiete, inklusive der bereits 2014 von Russland annektierten Krim, zurückerobern zu wollen. Immerhin handelt es sich um rund 20 Prozent des Territoriums der Ukraine. Allein die vier Regionen, die heute an Russland angeschlossen werden, sind in etwa so groß wie Portugal.
Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan, der sich gerne als Vermittler zwischen den Kriegsparteien sieht und jüngst ein Ende des Waffenganges prophezeit hatte, wollte noch am Donnerstag in einem Telefonat mit Putin das Rad der Zeit zurückdrehen: "Ich wünschte, sie hätten kein Referendum abgehalten und wir könnten das Problem durch Diplomatie lösen."
Atomschlag möglich
Wunschdenken freilich, in Moskau werden jetzt Fakten geschaffen, die von Putin eingesetzten Separatistenchefs der vier Regionen, die um die Eingliederung in die Russische Föderation offiziell angesucht haben, werden der Zeremonie beiwohnen und mit ihrer Unterschrift für eine weitere Eskalation des Krieges beitragen. Kommende Woche sollen dann beide Kammern des russischen Parlaments der völkerrechtswidrigen Aktion den Anschein einer demokratischen Legitimation geben.
Die Konsequenzen könnten fatal sein. Denn Putin hat klargestellt, dass er bei einem Angriff auf die „territoriale Integrität“ seines Landes – und als solchen könnten ukrainische Attacken in den vier Region nun gewertet werden – bereit sei, auch mit Atomwaffen zu antworten.
Indes geht die Massenflucht russischer Kriegsdienst-Verweigerer nach der Teilmobilmachung weiter. Um dem nun einen Riegel vorzuschieben, hat Moskau angeordnet, an der Grenze zu Kasachstan bereits einberufene Männer herauszufiltern. Am wichtigsten Übergang Karausek wurde dafür eigens ein Mobilisierungszentrum errichtet. Seit dem die Masseneinberufung am 21. September ausgerufen wurde, haben sich 100.000 russische Staatsbürger nach Kasachstan abgesetzt. Ausreisebeschränkungen wurden von Moskau auch Richtung Georgien erlassen.
Umgekehrt hat Finnland, das eine 1.340 km lange Grenze mit Putins Reich hat, seine Grenze für russische Touristen de facto geschlossen.
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