Druckmittel gegen Trump? Warum Putin die US-Drohungen weiter weglächelt

Steve Witkoff lächelt breit, Wladimir Putin grinst geradezu. Als Trumps Ukraine-Sondergesandter Mittwoch dem russischen Präsidenten im Moskauer Kreml die Hand schüttelte, hätte man meinen können, da sähen zwei alte Freunde einander wieder. Ganz falsch ist das nicht. Witkoff, Trumps Unterhändler in allen Kriegs- und Konfliktregionen dieser Welt, wirkte bisher tatsächlich fast wie ein Verbündeter der Russen. Diesmal musste er Putin aber erstmals auf die Zehen treten: Stimmt der bis Freitag keinem Ukraine-Deal zu, will Trump harte Sanktionen verhängen.
Nach dem dreistündigen Treffen schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social, dieses sei „hochproduktiv“ verlaufen, es seien „große Fortschritte erzielt“ worden. Er habe auch bereits einige europäische Verbündete über die Ergebnisse des Treffens informiert. Der Kreml stufte das Gespräch seinerseits als „nützlich und konstruktiv“ ein.
Laut New York Times will sich Trump kommende Woche mit Putin treffen. Danach sei ein Dreiergipfel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij angedacht. Ob Putin und Selenskij zugestimmt haben, ist offen.
Selenskij erklärte, er habe nach dem Treffen von Witkoff und Putin mit Trump telefoniert. An der Telefonkonferenz seien auch europäische Spitzenpolitiker beteiligt gewesen. Selenskij ortete immerhin gewisse Fortschritte. „Es scheint, dass Russland nun eher zu einem Waffenstillstand neigt“, sagte Selenskij in seiner nächtlichen Videoansprache.
Trumps Schlingerkurs
Witkoff steht sinnbildlich für den Schlingerkurs, den Trump seit Amtsantritt fährt. Zunächst versprach er ja, den Krieg gleich nach seiner Amtseinführung zu beenden; Druck übte er aber immer nur auf die Ukraine aus. Ein halbes Jahr konnte sich Moskau so in Sicherheit wiegen: Trump wurde gegenüber Kiew immer schriller, ließ nebenbei alle Russland-Sanktionen auslaufen. Putins Truppen konnten dadurch quasi nebenbei Quadratkilometer um Quadratkilometer einnehmen.
Seit ein paar Wochen aber hat Trump seine Meinung geändert. Was oder wer den Ausschlag dafür gab, darüber wird wild spekuliert – denn die Auswirkungen der Maßnahmen, die ihm vorschweben, sind nicht gerade gering: Er will die globalen Financiers von Putins Krieg zur Kasse bitten, also jene Staaten, die nach wie vor Öl und Gas aus Russland kaufen. Sie sollen mit 100-Prozent-Zöllen bestraft werden, zusätzlich zu jenen, die ohnehin gelten.
Hauptsächlich betroffen davon wären China und Indien, zwei der größten Volkswirtschaften der Welt. Und freilich Russland selbst: Die Öl- und Gaseinnahmen machen mittlerweile ein Drittel der staatlichen Gesamteinnahmen aus; China und Indien tragen alleine gut zwei Drittel davon aus. Fällt also nur einer der Handelspartner weg, würde das ein Riesenloch in das ohnehin angespannte russische Budget reißen.
Der Kreml wartet ab
Im Kreml ist man dennoch ruhig, mehr noch: Putin selbst ließ Trump wissen, dass er überhöhte Erwartungen habe. Das Kalkül dahinter: Machen die USA ernst, könnten sie das auch selbst massiv spüren. Da Russland sein Öl sehr billig verkauft – sowohl China als auch Indien bekommen Nachlässe, um die Verkäufe auch sicherzustellen –, würde der globale Ölpreis durch einen Wegfall der Exporte wohl ziemlich steigen.
Ersetzen müssten es die indischen und chinesischen Raffinerien nämlich durch deutlich teureres Rohöl aus den USA oder den arabischen Staaten. Das hätte wiederum Auswirkungen auf die Benzin- und Dieselpreise weltweit, vor allem Europa dürfte unter teurerem Sprit leiden – unser Kontinent kauft in großem Stil indische Kraftstoffe.
Das ist neben Russlands Erfolgen auf dem Schlachtfeld einer der Hauptgründe, warum Putin keine Anstalten macht, auf Trump zuzugehen. In Moskau hofft man, sagen Kreml-Quellen zu Reuters, dass Trump einknickt und seine Drohungen wieder aufweicht, wie er es schon öfter getan hat.
Oder dass China und Indien sich erst gar nicht vom US-Präsidenten beeindrucken lassen: Peking hat Washington im Zollstreit schon bisher die Stirn geboten, und auch Indiens Premier Narendra Modi war zuletzt unnachgiebig.
Putins Druckmittel
Dazu kommen einige Druckmittel, die Putin selbst noch gegen die USA in der Hand hat. Das wohl gewichtigste ist die kasachische CPC-Pipeline, eine der Hauptadern des globalen Ölbusiness. Sie deckt ein Prozent des weltweiten Ölbedarfs ab, führt aber durch Russland; darum könnte der Kreml sie auch jederzeit handstreichartig abdrehen lassen.
Dass er das kann, hat er im Verlauf des Krieges bereits mehrfach für kurze Zeit demonstriert. Spüren würden einen Totalausfall letztlich zwei Ölriesen aus den USA: Exxon Mobile und Chevron sind Hauptanteilseigner der Pipeline – beide haben Trump bei der Wahl unterstützt.
Gut möglich also, dass dessen Ultimatum nicht den Effekt hat, den er sich erhofft hat. Das hat er – überraschender selbstkritisch – letztens sogar angedeutet: „Putin will den Krieg fortsetzen. Die Zölle können sich auswirken – oder auch nicht.“
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