In Putins Visier
Dass die CEU in Putins Schusslinie geraten ist, ist wenig verwunderlich. Die Uni wird von George Soros finanziert, einem US-Milliardär und Philanthropen mit ungarischen Wurzeln. Er fördert seit Langem Demokratieprojekte weltweit und hat sich so nicht nur zum Ziel vieler Verschwörungstheoretiker, sondern auch zum Feind autoritärer Politiker gemacht. So kam die CEU auch nach Wien: Sie übersiedelte nach Österreich, weil Ungarns Premier Viktor Orbán sie des Landes verwiesen hatte.
Damals wehrte sich die CEU höchst öffentlichkeitswirksam gegen die Repressionen. Jetzt, da Russland ihr zusetzt, sei sie hingegen auffällig still, bemängeln viele der Studierenden. Nach außen hin kritisierte die Leitung zwar, dass die Entscheidung „russische Studenten und Mitarbeiter der CEU dem Risiko politischer Verfolgung aussetzt“, wie es in einem Statement hieß. Intern fühlen sich viele Betroffene aber kaum unterstützt. „Man hat uns lediglich gesagt, wir sollen einfach alle Verbindungen mit der CEU aus unseren Lebensläufen löschen“, sagt eine Studentin.
Die anderen bestätigen das, nennen die Empfehlung aber allesamt „absurd“: „Wie soll ich mich dann bewerben? Ich kann ja nicht schreiben, ich hätte einen Abschluss an einer ,unbekannten Universität’ gemacht.“ Und sich mit offiziellem CEU-Abschluss in der Heimat zu bewerben, sei eine offene Einladung zur Denunziation, sagt ein Student – eine Praxis, die in Russland seit der Invasion der Ukraine nicht nur gebilligt, sondern offiziell gefördert wird.
➤ Mehr lesen: Dreht die Ukraine 2024 russischen Gashahn zu? Was das für uns heißt
Kein Asyl
Viele der russischen CEU-Studierenden haben zudem öffentlich an Veranstaltungen teilgenommen, ihre Überzeugungen, auch gegen Putins Krieg, publik gemacht. Sie sind diejenigen, von denen der Westen hofft, dass sie in Russland für mehr Demokratie sorgen können.
Allein: In Österreich werden sie dieses Ziel nach Abschluss ihres Studiums kaum verfolgen können, sofern sie nicht schnell einen neuen Job finden. Die Aussichten auf politisches Asyl sind nämlich dürftig, nur einem Viertel der 216 Russen, die heuer bis Ende Oktober um Schutz ansuchten, wurde dieser auch zugestanden. Das liegt an den hohen Hürden: Asyl bekommen oft Tschetschenen, deren Leben bei einer Rückkehr bedroht wäre; die Einberufung in die russische Armee etwa als alleiniger Grund reicht meist nicht aus für Asyl. Dementsprechend schwierig dürfte es also sein, Schutz vor einer möglichen politischen Verfolgung durch Putins „unerwünschte Organisationen“-Gesetz zu bekommen.
Kurze Antwort
Im Außenministerium ist man sich dieses Dilemmas durchaus bewusst. Der Umgang Russlands mit der CEU sei „ein weiterer Versuch des Regimes, Russland-kritische Stimmen im eigenen Land und weltweit unter Druck zu setzen und die Aktivitäten der Zivilgesellschaft weit über die Grenzen Russlands hinaus einzuschränken“, heißt es dort. Mit der CEU habe man sich beraten, auch jetzt stehe man unterstützend zu Seite.
Die Uni selbst ist sehr knapp in ihrem Statement. Man habe die „praktischen Auswirkungen dieser Ankündigung für die Uni und ihre Mitglieder“ ermittelt, diese Erkenntnisse mit der Uni-Community geteilt. Und rechtlicher Beistand? „Die CEU ist nicht in der Lage, Rechtsberatung zu leisten“, heißt es.
Die russischen Studierenden frustriert das. „Ich kann nicht nach Hause. Aber hierbleiben werde ich auch nicht können“, sagt einer. „Genau das ist es, was Putin will.“
Kommentare