Putin in Deutschland: Nettigkeiten und offene Differenzen
In einem vor seiner Abreise nach Deutschland aufgezeichneten WDR-Interview fuhr Putin bereits die Krallen aus, als wolle er klarstellen, dass er mit gewissen Themen nicht konfrontiert werden wolle. Mitten im Interview fragte er den ihn interviewenden Chefredakteur Jörg Schönenborn, wie er denn eigentlich heiße, um ihn dann zu duzen; stellte Gegenfragen, um dann schweigend auf präzise Antworten zu warten und kommentierte eine der Interviewfragen später mit dem Satz: „Verstehen Sie denn wirklich nicht, wie absurd Ihre Frage ist?“
Vorfälle, die dazu führten, dass der Besuch Putins bei der Hannover-Messe zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel von einer ganzen Reihe an Protesten begleitet wurde – sowohl in Wortmeldungen als auch auf den Straßen. Und selbst in der Ausstellungshalle der Messe, wo barbusige Aktivistinnen Putin lautstark aufforderten, zum Teufel zu gehen (siehe auch weiter unten).
Aber auch in den offiziellen politischen Statements bemühte man sich zwar um einen freundlichen Ton, konnte Differenzen jedoch nicht überdecken. In Sachen Syrien pochte Putin auf das Recht Russlands, an die legitime Regierung Assads Waffen liefern zu dürfen. Merkel dazu: „Aus unserer Sicht ist die Legitimation von Herrn Assad nicht mehr gegeben.“
Letztlich aber ging es ums Geld – und blieb freundlich. Denn Russland und Deutschland sind einander wichtige Handelspartner. Zwischen beiden Ländern wurden 2012 Waren im Wert von 80,5 Mrd. Euro gehandelt. Und 8 Mrd. Euro investierten russische Firmen in Deutschland. Deutsche Investoren steckten 28 Mrd. in den russischen Markt.
Eigentlich war der Besuch Wladimir Putins bei der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe ein Anlass, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Moskau zu intensivieren. Doch angesichts der Razzien gegen deutsche Stiftungen (siehe oben) in Russland ging es bei der Messeeröffnung zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel nur mehr um den Wert einer starken Zivilgesellschaft. Laut Merkel sei diese eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand in der Zukunft. "Wir sind der Überzeugung, dies gelingt dann am besten, wenn es eine aktive Zivilgesellschaft gibt", betonte Merkel in der Stadthalle der niedersächsischen Landeshauptstadt. Die Kanzlerin in ihrer Rede am Sonntagabend: "Wir müssen diese Diskussion intensivieren, unsere gegenseitigen Vorstellungen weiterentwickeln und auch den Nichtregierungsorganisationen, auch den vielen Vereinigungen, die wir aus Deutschland immer wieder als Innovationsmotoren kennen, in Russland eine gute Chance geben."
Erstmals äußerte sich Merkel damit öffentlich zu den aktuellen politischen Verstimmungen zwischen beiden Ländern und erhielt deshalb Anerkennung von Human Rights Watch. Merkel hatte das Vorgehen der russischen Behörden bereits vor der Messe-Eröffnung mit Putin am Telefon erörtert und weiteren Gesprächsbedarf in Hannover angekündigt.
Dass die deutsche Zivilgesellschaft aktiv ist, stellten am Montag Demonstrantinnen unter Beweis: Als Putin und Merkel beim traditionellen Rundgang auf der Messe den VW-Stand besuchten, stürmten drei Frauen barbusig auf die Bühne und beschimpften ihn als Diktator. Von Sicherheitsleuten wurden die Frauen niedergerungen und entfernt. Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes hatte die Aktion als Rowdytum bezeichnet. Putin selbst schien es gefallen zu haben: "Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion", erklärte er. "Ich sehe darin nichts Schreckliches." Merkel verwies zwar auf die Demonstrationsfreiheit, kritisierte aber die Protestform.
Anderer Fokus
Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, sieht die deutsch-russischen Beziehungen durch die Razzien beeinträchtigt. Er forderte den Europarat auf, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Als Mitglied des Europarats sei Russland verpflichtet, die Freiheit des Einzelnen, die politische Freiheit und die Herrschaft des Rechts zu achten. Russland verstoße gegen diese Prinzipien der Demokratie, sagte der Chef der Adenauer-Stiftung und ehemalige Präsident des Europaparlaments der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. In einem ARD-Interview hatte Putin vor seiner Abreise das umstrittene Gesetz verteidigt. "Niemand verbietet diese Organisationen", betonte er. "Wir bitten nur, dass diese zugeben: Ja, wir betreiben die politische Tätigkeit, aber lassen uns aus dem Ausland finanzieren."
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