Putin in Deutschland: Nettigkeiten und offene Differenzen

epa03653603 An eye-opening experience for Russian President Vladimir Putin (left) as he is confronted by a topless demonstrator with written messages on her back during an opening tour of the Hanover Fair, Hanover, Germany 8 April 2013. He was accomoanied by German Chancellor Angela Merkel (seen right). EPA/JOCHEN LUEBKE
Russlands Präsident kommt in turbulenten Zeiten. Die gegenseitigen Beziehungen waren schon einmal besser.

In einem vor seiner Abreise nach Deutschland aufgezeichneten WDR-Interview fuhr Putin bereits die Krallen aus, als wolle er klarstellen, dass er mit gewissen Themen nicht konfrontiert werden wolle. Mitten im Interview fragte er den ihn interviewenden Chefredakteur Jörg Schönenborn, wie er denn eigentlich heiße, um ihn dann zu duzen; stellte Gegenfragen, um dann schweigend auf präzise Antworten zu warten und kommentierte eine der Interviewfragen später mit dem Satz: „Verstehen Sie denn wirklich nicht, wie absurd Ihre Frage ist?“

Putin in Deutschland: Nettigkeiten und offene Differenzen
Russian President Vladimir Putin (R) gives an interview to Jorg Schonenborn of German public broadcaster ARD at the Novo-Ogaryovo residence outside Moscow, April 2, 2013. Putin said Russia had confidence in the euro and had made the right decision to keep much of its reserves in the European currency. Picture taken April 2, 2013. REUTERS/Alexei Druzhinin/RIA Novosti/Pool(RUSSIA - Tags: POLITICS) ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE WAS PROVIDED BY A THIRD PARTY. THIS PICTURE IS DISTRIBUTED EXACTLY AS RECEIVED BY REUTERS, AS A SERVICE TO CLIENTS. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS
Zwischen Deutschland und Russland hängt der Haussegen schief. Auslöser dafür sind Razzien in den russischen Büros deutscher Stiftungen. Namentlich die beiden politisch einflussreichsten: Die Konrad-Adenauer-Stiftung sowie die Friedrich-Ebert-Stiftung. Dabei geht es um die Umsetzung eines Gesetzes, das ausländisch finanzierte NGOs verpflichtet, sichals ausländische "Agenten"zu registrieren.

Vorfälle, die dazu führten, dass der Besuch Putins bei der Hannover-Messe zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel von einer ganzen Reihe an Protesten begleitet wurde – sowohl in Wortmeldungen als auch auf den Straßen. Und selbst in der Ausstellungshalle der Messe, wo barbusige Aktivistinnen Putin lautstark aufforderten, zum Teufel zu gehen (siehe auch weiter unten).

Aber auch in den offiziellen politischen Statements bemühte man sich zwar um einen freundlichen Ton, konnte Differenzen jedoch nicht überdecken. In Sachen Syrien pochte Putin auf das Recht Russlands, an die legitime Regierung Assads Waffen liefern zu dürfen. Merkel dazu: „Aus unserer Sicht ist die Legitimation von Herrn Assad nicht mehr gegeben.“

Letztlich aber ging es ums Geld – und blieb freundlich. Denn Russland und Deutschland sind einander wichtige Handelspartner. Zwischen beiden Ländern wurden 2012 Waren im Wert von 80,5 Mrd. Euro gehandelt. Und 8 Mrd. Euro investierten russische Firmen in Deutschland. Deutsche Investoren steckten 28 Mrd. in den russischen Markt.

Eigentlich war der Besuch Wladimir Putins bei der weltgrößten Industrieschau Hannover Messe ein Anlass, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Moskau zu intensivieren. Doch angesichts der Razzien gegen deutsche Stiftungen (siehe oben) in Russland ging es bei der Messeeröffnung zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel nur mehr um den Wert einer starken Zivilgesellschaft. Laut Merkel sei diese eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Wohlstand in der Zukunft. "Wir sind der Überzeugung, dies gelingt dann am besten, wenn es eine aktive Zivilgesellschaft gibt", betonte Merkel in der Stadthalle der niedersächsischen Landeshauptstadt. Die Kanzlerin in ihrer Rede am Sonntagabend: "Wir müssen diese Diskussion intensivieren, unsere gegenseitigen Vorstellungen weiterentwickeln und auch den Nichtregierungsorganisationen, auch den vielen Vereinigungen, die wir aus Deutschland immer wieder als Innovationsmotoren kennen, in Russland eine gute Chance geben."

Erstmals äußerte sich Merkel damit öffentlich zu den aktuellen politischen Verstimmungen zwischen beiden Ländern und erhielt deshalb Anerkennung von Human Rights Watch. Merkel hatte das Vorgehen der russischen Behörden bereits vor der Messe-Eröffnung mit Putin am Telefon erörtert und weiteren Gesprächsbedarf in Hannover angekündigt.

Dass die deutsche Zivilgesellschaft aktiv ist, stellten am Montag Demonstrantinnen unter Beweis: Als Putin und Merkel beim traditionellen Rundgang auf der Messe den VW-Stand besuchten, stürmten drei Frauen barbusig auf die Bühne und beschimpften ihn als Diktator. Von Sicherheitsleuten wurden die Frauen niedergerungen und entfernt. Ein Sprecher des russischen Präsidialamtes hatte die Aktion als Rowdytum bezeichnet. Putin selbst schien es gefallen zu haben: "Ohne eine solche Aktion würde man weniger über eine solche Messe sprechen als mit einer solchen Aktion", erklärte er. "Ich sehe darin nichts Schreckliches." Merkel verwies zwar auf die Demonstrationsfreiheit, kritisierte aber die Protestform.

Anderer Fokus

Putin in Deutschland: Nettigkeiten und offene Differenzen
epa03653654 German Chancellor Angela Merkel and Russian President Vladimir Putin (R) look at an artificial dragonfly at the booth of Festo during the opening tour of the Hanover Fair in Hanover, Germany, 08 April 213. About 6500 enterprises exhibit at the world's biggest industrial fair Hanover Fair from 8-12 April 2013. EPA/JULIAN STRATENSCHULTE
Auf die Razzien ging Putin aber nicht ein. Er konzentrierte sich in seiner Eröffnungs-Rede ganz auf die Aspekte der Messe, die bei Merkel erst am Schluss in den Vordergrund traten. Putin versprach, sich für den konsequenten Ausbau der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen stark zu machen. "Die Welt- und Europawirtschaften bleiben leider sehr fragil", sagte er. Umso wichtiger sei eine Intensivierung des Austausches der beiden Länder. "Ich bin zuversichtlich, dass Russland einen starken Impuls setzt für die Zusammenarbeit."

Der Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung, Hans-Gert Pöttering, sieht die deutsch-russischen Beziehungen durch die Razzien beeinträchtigt. Er forderte den Europarat auf, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Als Mitglied des Europarats sei Russland verpflichtet, die Freiheit des Einzelnen, die politische Freiheit und die Herrschaft des Rechts zu achten. Russland verstoße gegen diese Prinzipien der Demokratie, sagte der Chef der Adenauer-Stiftung und ehemalige Präsident des Europaparlaments der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. In einem ARD-Interview hatte Putin vor seiner Abreise das umstrittene Gesetz verteidigt. "Niemand verbietet diese Organisationen", betonte er. "Wir bitten nur, dass diese zugeben: Ja, wir betreiben die politische Tätigkeit, aber lassen uns aus dem Ausland finanzieren."

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