Proteste in Berlin nach Aus für Mietendeckel

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Tausende Menschen fordern politische Handeln gegen den "Mietenwahnsinn". Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor das seit einem Jahr geltenden Mietendeckel-Gesetz gekippt.

Nach dem Aus für den Berliner Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht haben in der deutschen Bundeshauptstadt mehrere Tausend Menschen für einen bundesweiten Mietenstopp demonstriert. Sie kritisierten den Beschluss des höchsten deutschen Gerichts und forderten mehr politisches Handeln gegen den "Mietenwahnsinn".

Viele Teilnehmer hatten Kochtopfdeckel mitgebracht, mit denen sie kräftig Lärm erzeugten. Motto: "Wenn Sie uns einen Deckel nehmen, kommen wir mit Tausenden Deckeln wieder!" Die Demonstranten versammelten sich zunächst am Hermannplatz in Neukölln und begannen dann einen Aufzug, der bis zum Kottbusser Tor in Kreuzberg führen sollte.

Zu dem Protest aufgerufen hatte der Berliner Mieterverein. Die Polizei sprach von einer Teilnehmerzahl "im mittleren vierstelligen Bereich", die Veranstalter von Tausenden Demonstranten. Laut Polizei trugen zum Schutz vor Corona praktisch alle eine Maske und bemühten sich zudem, etwas Abstand voneinander zu halten.

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Gesetz gekippt

Das Bundesverfassungsgericht hatte das seit mehr als einem Jahr geltende Berliner Mietendeckel-Gesetz in einem am Donnerstag verkündeten Beschluss für nichtig erklärt. Für das Mietrecht sei der Bund zuständig, hieß es zur Begründung. Auf viele Menschen in Wohnungen mit bisher gedeckelter Miete kommen nun Nachzahlungen zu.

Der Regierende Berliner Bürgermeister Michael Müller fordert ein rasches Handeln der Bundesregierung. "Die mittlerweile bundesweit vorherrschende Wohnungsnot muss endlich energisch vom Bund bekämpft werden", erklärte der SPD-Politiker am Donnerstag. "Ein von Teilen der Koalition auf Bundesebene gefordertes Mietenmoratorium in Märkten mit angespannter Wohnlage muss zügig auf den Weg gebracht werden", so Müller. "Das ist spätestens für die neue Bundesregierung eine der zentralen Aufgaben."

Der Wohnungskonzern Vonovia erklärte, keine Nachzahlungen zu verlangen. Die Deutsche Wohnen begrüßte die Entscheidung aus Karlsruhe und will sich die Differenz zwischen ursprünglicher und gedeckelter Miete dagegen erstatten lassen. Im Durchschnitt lägen die Rückforderungen an die betroffenen Mieter bei rund 430 Euro, erklärte ein Sprecher. Kein Mieter werde durch die Entscheidung seine Wohnung verlieren.

"Soziale Verantwortung"

Der Berliner Senat wolle jetzt prüfen, inwieweit soziale Härten bei Nachforderungen an Mieter abgefedert werden könnten, so Müller. "Wir appellieren an alle Vermieterinnen und Vermieter, sich in der nach wie vor sehr schwierigen Wohnungsmarktsituation ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu sein."

Müller kündigte dazu "zeitnah" auch einen Runden Tisch an, "um mit der Wohnungswirtschaft darüber zu sprechen, wie wir gemeinsam soziale Härten durch Nachforderungen vermeiden und zukünftig dafür Sorge tragen können, dass in Berlin ausreichend bezahlbarer Wohnraum entsteht und die Mieten nicht weiter unkontrollierbar steigen."

Immobilien- und Bauwirtschaft, Union und FDP reagierten erleichtert auch die Entscheidung aus Karlsruhe. An der Frankfurter Börse legten Werte von Immobilienkonzernen zu. Die SPD, Linke, Grüne und Sozialverbände forderten als Konsequenz aus der Entscheidung eine stärkere Regulierung der Mieten auf Bundesebene bis hin zu einem Mietendeckel für ganz Deutschland. Das Thema dürfte damit im deutschen Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen.

"Erleichtert"

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich beruhigt über die Entscheidung zum Berliner Mietendeckel gezeigt. "Ich war erleichtert heute, dass das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel verworfen hat", sagte Altmaier am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Die Entscheidung sei ganz wichtig gewesen, weil der Eindruck entstanden sei, dass mit diesem Mietendeckel der Staat immer mehr und immer stärker in die privatwirtschaftliche Gestaltungsfreiheit eingreife. "Wir alle wollen, dass es bezahlbaren Wohnraum gibt. Das geht aber nicht durch Deckelung", so Altmaier weiter.

"Bei der Bundestagswahl am 26. September macht die SPD den Mieterinnen und Mietern ein klares Angebot: In der nächsten Bundesregierung wollen wir einen Mietenstopp in allen angespannten Wohnlagen durchsetzen." Das Kippen des Berliner Mietendeckels sei "eine verlorene Schlacht, aber der Kampf gegen explodierende Mieten ist dadurch noch lange nicht entschieden", so SPD-Vize Kevin Kühnert.

SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, ihre Partei werde sich für Erhalt und Entstehung von bezahlbarem Wohnraum einsetzen. "Die Menschen, die unser Leben am Laufen halten, die Kranke pflegen, für Sicherheit sorgen, unsere Briefe austragen, an der Kasse im Supermarkt sitzen, unsere Kinder unterrichten oder löschen, wenn es brennt, die müssen es sich auch in Zukunft leisten können, in den Städten zu wohnen, wo sie arbeiten."

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