Prag-Razzia: Dutzende Kilo Gold sichergestellt

Fäden der Affäre laufen bis zum Büro des Premiers. Die Opposition fordert Neuwahlen.

Nach einer in der Geschichte der Tschechischen Republik noch nie dagewesenen Polizei-Razzia stürzt das Land in eine tiefe politische Krise. Über den Hintergrund rätseln die Tschechen noch immer. Bei dem Polizei-Einsatz stürmten 400 maskierte Beamte den Sitz der Regierung in Prag, das Verteidigungsministerium, 31 Wohnungen (darunter die Bleibe des Premierministers sowie seiner Kabinettschefin, die wie andere festgenommen wurde), einige Firmenzentralen, die Kommerzbank, die Direktion der staatlichen Forstbetriebe sowie ein Kunstgalerie.

Am Freitag traten Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Polizei vor die Medien. Die Untersuchung habe vor eineinhalb Jahren begonnen und sei von Olmütz aus geführt worden, weil die Prager Staatsanwaltschaft selbst unter Verdacht stehe, involviert zu sein. „Ursprünglich hatten wir eine kriminelle Gruppe im Visier, die sich durch gute Beziehungen zu staatlichen und halb-staatlichen Organisationen extrem bereichert hat“, sagte der Chef der Sondereinheit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, „in der Kommerzbank wurden verdächtige 120 bis 150 Millionen Kronen (4,7 bis 5,8 Mio. Euro) sowie mehrere Dutzend Kilo Gold sichergestellt.“

Schon bald wurde klar, dass die Fäden bis in höchste politische Kreise führen. Die Spitze soll im Büro des Premierministers angesiedelt gewesen sein. Seine Kabinettschefin Jana Nagyova ist bereits angeklagt. Ihr wird vorgeworfen, ihre Kompetenzen missbraucht zu haben: Sie soll gesetzwidrig den militärischen Geheimdienst beauftragt haben, unter anderem die Ehefrau des Premierministers zu beschatten. Necas reagierte auf den Vorwurf am Freitag: Die Beschattung seiner Ehefrau sei zu deren eigener Sicherheit passiert.

Außerdem soll Nagyova rebellierende Abgeordnete mit hohen Geldsummen ruhig gestellt haben. Angeklagt wurden auch zwei Parlamentarier und zwei ehemalige Abgeordnete der regierenden ODS sowie der ehemalige als auch der amtierende Chef des Militärgeheimdienstes.

Weitere Politiker stehen unter Verdacht, auch zwei einflussreiche Oligarchen kamen ins Visier der Ermittler. Ihre Wohnungen wurden durchsucht, sie selbst befanden sich aber im Ausland.

Da es sich bei den angeklagten Politikern ausschließlich um Parteifreunde von Necas handelt, fordert die Opposition dessen sofortigen Rücktritt und vorgezogene Neuwahlen. Necas lehnt das kategorisch ab. Er kritisiert die Polizei und meinte, dass mit der Verhaftung des Leiters des militärischen Nachrichtendienstes der gute Ruf Tschechiens Schaden nehme.

Karel Schwarzenberg

Der ODS-Klub sprach seinem Vorsitzenden das Vertrauen aus. Necas’ Koalitionspartner, die TOP 09 von Karel Schwarzenberg, verhält sich abwartend. Auf Anfrage des KURIER hieß es aus seinem Büro, es seien noch zu wenige Fakten bestätigt.

Sollte es zu Neuwahlen kommen, würde es in Tschechien zu einem Linksruck kommen: Laut Umfragen führen die Sozialisten haushoch. Mit der stillen Unterstützung der KP könnten sie bequem regieren.

Am Freitag berief Präsident Zeman eine Krisensitzung ein. Vor dem Prager Parlament versammelten sich 100 Leute, die gegen die Regierung demonstrierten.

Laut Medien gibt es drei mögliche Szenarien der weiteren politischen Entwicklung. Als die wahrscheinlichste bezeichnet "Mlada fronta Dnes" baldige Neuwahlen, nachdem sich die Parteien mit einer Verfassungsmehrheit auf die Auflösung des Abgeordnetenhauses geeinigt hätten. Eine andere Variante könnte ein unter dem Taktstock von Staatspräsident Milos Zeman zusammengestelltes Beamten-Übergangskabinett sein, das das Land bis zu den Parlamentswahlen im Frühjahr 2014 regieren würde. Das dritte Szenario ist, dass die jetzige Koalition die Krise überstehen wird - entweder mit Necas als Premier oder ohne ihn.

Nach Auffassung der tschechischen Zeitungen gerät Necas unter starken Druck. Laut "Lidove noviny" sei es nur schwer vorstellbar, dass Necas weiter amtieren könne, falls seine engste Mitarbeiterin strafrechtlich verfolgt würde. Ein Paradoxon sei, dass Necas mit einer Säuberung in der ODS begonnen habe, indem er die Macht der "Paten" paralysiert habe. "Bisher zeichnet sich jedoch ab, dass er selbst zum Opfer seiner Gottgefälligkeit wird, und zwar früher, als die Sense die größten Schurken trifft."

Die Tageszeitung "Mlada fronta Dnes" meinte, habe sei schon vielmals so geschienen, als ob das Kabinett von Petr Necas ende, schließlich habe es immer überlebt. Allerdings sei die jetzige Krise die ernsteste in der Amtszeit dieser Regierung. Sollten sich die Vorwürfe seitens der Ermittler bestätigen, scheine die Situation des Premiers ausweglos zu sein.

Laut dem Blatt "Pravo" kämpft Necas um sein politisches Überleben. Die Strafverfolgungsbehörden hätten "ein politisches Spiel gestartet, wo Regierungen fallen und die politische Atmosphäre sich ändert, was das Umschreiben der Macht-Karte zur Folge haben könnte".

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