Politik in Zeiten der Pandemie: Erster leibhaftiger Politikerbesuch in der Corona-Krise

Politik in Zeiten der Pandemie: Erster leibhaftiger Politikerbesuch in der Corona-Krise
US-Außenminister Mike Pompeo reist nach Israel – Covid-19 nicht Thema Nr. 1

An diesem Mittwoch besucht Mike Pompeo Israel. Der US-Außenminister wird so weltweit wohl zur ersten Schwalbe am diplomatischen Flughimmel. Für ihn und seine Delegation setzte Israels Premier Benjamin Netanjahu sogar die strengen Quarantäne-Vorschriften für Einreisende aus.

Annexion als Thema

Wobei die angekündigten Gesprächsthemen „gemeinsame Bemühungen im Kampf gegen Covid-19 und der schädliche regionale Einfluss IransIsraels Medien nicht von ihrer Dringlichkeit überzeugten. Sie mutmaßen, ein anderes Thema könne so kurz vor der Angelobung von Israels neuer Regierung wichtiger sein: Die im Koalitionsabkommen geplante Annexion israelisch besetzter Palästinensergebiete.

Im Kampf gegen Covid-19 gilt Israel tatsächlich als weltweites Vorbild. Israels Sterberate ist extrem niedrig. Ist aber eher ein Thema für Pandemie-Experten. Nicht für Diplomaten. Trumps Bemühungen um eine Änderung des Nuklear-Vertrags mit Iran werden von Netanjahu freudvoll begrüßt.

Dagegen gibt es in Washington wie Jerusalem viele Unklarheiten zur Annexion von Palästinensergebieten, wie sie im neuen Friedensplan Washingtons „Von Frieden zu Wohlstand“ nicht länger ausgeschlossen werden. So trifft Pompeo neben Netanjahu auch dessen zukünftigen Koalitionspartner Benjamin Gantz. Er soll in 18 Monaten das Amt des Premiers im Austausch übernehmen. Im Abkommen mit Netanjahu macht Gantz eine Teilannexion vom Einverständnis der USA abhängig. Sieht doch auch der US-Friedensplan keine volle Annexion vor. Sieht er doch gleichzeitig auch einen palästinensischen Staat als Ziel.

Hier hat die israelische Seite mehr offene Fragen an Washington als umgekehrt. Wiederholte Versprechen einer baldigen Annexion hat Netanjahu wiederholt gebrochen. Gantz dagegen verspricht weniger und wird so vielversprechender. In Israel ist eine Annexion nicht einfach als Streit zwischen Links und Rechts einzuordnen. Gerade radikale Linke sehen in einer Annexion die logische Folge der Lage vor Ort. Erschwert sie doch eine klare Grenzziehung zwischen israelischen Siedlungsgebieten und palästinensischer Autonomie.

Mit Risiko behaftet

Hinzu kommt ein kaum abschätzbarer finanzieller Preis. Wie auch internationale Folgen: Am Freitag wollen die EU-Außenminister mögliche Strafsanktionen gegen Israel im Falle einer Annexion besprechen. Die Annäherung arabischer Anrainer-Staaten an Israel im Schatten der Iran-Bedrohung wäre ebenfalls gefährdet.

So waren in den letzten Wochen mehr befürwortende Stimmen zu einer Annexion aus Washington zu hören als aus Jerusalem. Sie richteten sich im anlaufenden US-Wahlkampf an rechte evangelikale Trump-Wähler mit ihren messianischen Erwartungen. In Israel wirft Annexion hingegen Fragen auf, die Gespräche unter sechs Augen erforderlich machen. Mit oder ohne Mundschutz.

Norbert jessen, Jerusalem

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