Politologen nach Fico-Attentat: Slowakei wird sich weiter radikalisieren

Der bei einem Attentat lebensgefährlich verletzte slowakische Regierungschef Robert Fico hat nach einer mehrstündigen Operation laut Medienberichten wieder das Bewusstsein erlangt.
Politologen erwarten nach dem Attentat auf den Premier, dass es zu einer stärkeren Radikalisierung der Bevölkerung kommen wird.

Das Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico wird die Slowakei nach Expertenansicht verändern. Obwohl solche Vorfälle die Gesellschaft vereinen sollten, glauben slowakische Politikwissenschaftler, dass sie sie noch mehr radikalisieren werde.

Fico war am Mittwoch nach einer Regierungssitzung in der Stadt Handlová mutmaßlich von einem Kritiker angeschossen worden. Die slowakische Regierung sah ein politisches Motiv hinter der Tat.

"Ich denke, es (das Attentat, Anm.) wird zu einer noch stärkeren Radikalisierung der Gesellschaft führen als bisher. Ich erwarte nicht, dass die politischen Eliten in der Lage sein werden, ein Signal zu senden, dass dies nicht so weitergehen darf, dass dies nicht der richtige Weg ist", sagte Juraj Marušiak, Politikwissenschaftler vom Institut für Politikwissenschaft der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (SAV), gegenüber der Tageszeitung Pravda (Online-Ausgabe).

"Politik führt nur Kleinkriege"

Nach Ansicht von Radoslav Štefančík, Politikwissenschaftler an der Wirtschaftsuniversität Bratislava, hängt die Situation davon ab, wie das Attentat von den meinungsbildenden Politikern wahrgenommen werde. "Dies könnte der Moment sein, in dem die Gesellschaft begreift, dass Politik nur Kleinkriege führt und es keinen Grund gibt, Hass gegeneinander zu verbreiten", sagte er der Pravda.

Abgeordnete machen Medien und Opposition verantwortlich

Einige Abgeordnete der Regierungskoalition reagierten allerdings sehr scharf. Sie machten Medien und die Opposition für das Attentat verantwortlich. So äußerte sich etwa der stellvertretende Parlamentspräsident Ľuboš Blaha von Ficos linksnationalistischer Partei Smer "zutiefst empört" über die politische Opposition und liberalen Medien, die seiner Meinung Hass verbreitet haben.

Der Vorsitzende der nationalistischen Partei SNS, Andrej Danko, gab ebenfalls den Journalisten die Schuld an dem Attentat und bezeichnete die Journalisten als "Dreckschweine". Er sprach davon, dass für die SNS in dieser Phase ein politischer Krieg beginne.

"Nach den ersten hasserfüllten Reaktionen einiger Politiker von Smer und SNS gehe ich davon aus, dass die Polarisierung in der Slowakei noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hat", urteilte Štefančík. Er erwarte, "dass die Angriffe auf die Medien und NGOs zunehmen werden", ergänzte Marušiak. Der Politologe meinte, dass dies zu einer Eskalation der ohnehin schon großen Spannungen in der Gesellschaft führen werde.

Die Slowakei ist ein stark polarisiertes Land, der Riss geht oft quer durch Freundschaften und Familien. Ein Teil der Gesellschaft steht der Regierung sehr kritisch gegenüber und warf Fico vor, das Land immer mehr auf einen autoritären, russlandfreundlichen Kurs nach dem Vorbild Viktor Orbans in Ungarn zu bringen. Seit Ende des Vorjahres fanden regierungskritische Proteste in allen größeren Städten des Landes statt.

Fico stoppte die Militärhilfe für die Ukraine, tauschte die Leitung der Polizei und wichtiger staatlicher Behörden aus und leitete eine umstrittene Justizreform und Medienpolitik in die Wege. Ende April beschloss die slowakische Regierung die Auflösung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalt RTVS.

In einem Video, das am Mittwochabend in sozialen Netzwerken kursierte, erklärte der mutmaßliche Schütze: "Ich bin mit der Politik der Regierung nicht einverstanden." Der etwas verwirrt wirkende Mann sagte: "Die Massenmedien werden liquidiert. Warum wird RTVS angegriffen? Richter Mazak (ehemaliger Vorsitzender des Justizrates, Anm.), warum ist er von seinem Posten entlassen worden?"

Marušiak gab zu bedenken, dass das Attentat bisher wie die Aktion eines einzelnen "Verrückten" aussehe. "Nichts kann uns vor Verrückten schützen, auch nicht in einer Situation, in der sich die Gesellschaft nicht in einem solchen Zustand der Konfrontation befindet wie jetzt."

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