Statt auf Gas aus Russland will man künftig auf Norwegen und Dänemark setzen. Dabei soll die Baltic Pipe helfen.
27.09.22, 17:01
aus Warschau Jens Mattern
"Polens Souveränität wird gestärkt." Mit diesen Worten eröffnete der polnische Präsident Andrzej Duda am Dienstag die Baltic Pipe. Mit der Pipeline von Norwegen über Dänemark und den Ostseegrund an die polnische Küste will sich Warschau von russischem Gas unabhängig machen. "Zusammen werden wir in der Lage sein, Putin zu besiegen", sagte die dänische Premierministerin Mette Frederiksen.
Ab dem 1. Oktober soll dänisches Gas durch die Leitung fließen, ein paar Tage später kommt norwegisches Gas hinzu. Getragen wird Baltic Pipe von dem dänischen Gasübertragungsbetreiber Energinet, dem polnischen Energiekonzern PGNiG, dem polnischen Gasübertragungsbetreiber Gaz-System sowie von der EU.
Doch die Berichte und Mutmaßungen über die Lecks an Nord Stream 1 und 2 sorgen auch in Polen für Bedenken: Die Befürchtung ist groß, dass Russland die neue Leitung sabotieren könnte. Der Kreml hat die Gaslieferung nach Polen bereits Ende April eingestellt.
Energie als Waffe
Die Befürchtung, dass Russland Energie als Waffe einsetzt, existierte in Polen schon lange. Bereits vor 21 Jahren setzte die konservative Regierung unter Jerzy Buzek erste Schritte, um skandinavisches Gas via Pipeline zu erhalten. Die Umsetzung verzögerte sich jedoch immer wieder – der Grund: Finanzierungsprobleme. Erst 2016, zwei Jahre nach der Annexion der Krim, wurde das Projekt wieder ernsthaft verfolgt, 2018 unterzeichneten Energinet und Gaz-System den Bauvertrag, die Verlegung der insgesamt 900 Kilometer langen Leitungen wurde 2020 begonnen.
Jährlich könnten so zehn Milliarden Kubikmeter Gas nach Polen strömen – das Land bezog vor dem Krieg in der Ukraine etwa neun Milliarden pro Jahr aus Russland. Allerdings wird zu Beginn nur ein Drittel der Kapazität geliefert werden, da sich die Bauarbeiten in Dänemark aufgrund von Umweltauflagen verzögert haben. Die Baukosten für das Projekt belaufen sich auf 1,6 Milliarden Euro.
Mit hohen Gaspreisen ist jedenfalls weiterhin zu rechnen. Viele Polen sehen die Schuld auch bei Deutschland, das mit Nachdruck Gaseinkäufe tätige, um den Krisenwinter zu überstehen.
Das Energieprojekt ist politisch wie emotional aufgeladen. Durch Nord Stream fließe "ukrainisches Blut", sagte Premierminister Mateusz Morawiecki und erteilte Deutschland einen Seitenhieb. Polen war erklärter Gegner von Nord Stream 1 und 2.
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