Wahl-Krimi in Polen: Rechtskonservativer Nawrocki zum Sieger erklärt

Spannender kann ein Rennen um das Präsidentenamt kaum sein. Schon die letzten Umfragen vor der Stichwahl in Polen hatten das knappste Wahlergebnis jemals vorausgesagt.
Dabei könnten die beiden Kandidaten nicht unterschiedlicher sein – der proeuropäische Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski und der rechte Historiker Karol Nawrocki stehen für völlig unterschiedliche Visionen ihres Landes.
Nawrocki gewinnt
Der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki hat Medienberichten zufolge die Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen knapp gewonnen. Große polnische Medien wie die Zeitung Rzeczpospolita und das Nachrichtenportal Onet.pl stützten sich dabei auf die Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen durch die Wahlleitung. Demnach kam Nawrocki auf knapp 51 Prozent, sein liberaler Gegenkandidat Rafal Trzaskowski auf etwas mehr als 49 Prozent.
Rund 29 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, einen Nachfolger für Präsident Andrzej Duda zu wählen. Dieser durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten. Die Abstimmung gilt als Richtungswahl für das EU- und NATO-Land Polen.
Der parteilose Nawrocki ist Kandidat der rechtskonservativen PiS, Polens größter Oppositionspartei. Die PiS regierte das Land von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare der Politik und lag wegen dieses Eingriffs in die Gewaltenteilung im Dauerclinch mit Brüssel.
Der Präsident hat in Polen eine größere Machtfülle
Der Wahlausgang wird die Arbeit der polnischen Regierung massiv beeinflussen. Im Vergleich zu Österreich ist der Präsident in Polen nämlich mit mehr Vollmachten ausgestattet. Er ist nicht nur Oberbefehlshaber des Militärs, sondern hat auch das letzte Wort in außenpolitischen Fragen. Vor allem aber verfügt er über ein Veto-Recht, mit dem er unliebsame Gesetze blockieren kann.
Aus Sicht der aktuellen polnischen Regierung um den liberalen Ministerpräsidenten Donald Tusk war dieses Veto-Recht zuletzt lange in falschen Händen. Der scheidende, konservative Präsident Andrzej Duda nutzte es freimütig, um zentrale Wahlversprechen der Tusk-Regierung auf Eis zu legen, etwa eine Justizreform oder lockerere Abtreibungs- und LGBTQ-Rechte.
Aufheben lässt sich das Präsidenten-Veto nur mit 80 Prozent der Stimmen im Parlament, über die Tusks Koalitionsbündnis nicht verfügt. Der Regierungschef erklärte die Präsidentschaftswahl daher im Vorlauf als „Entscheidung über Polens Zukunft“.
Auf der einen Seite: Warschaus Bürgermeister Rafał Trzaskowski

Warschaus Bürgermeister und Präsidentschaftskandidat Rafał Trzaskowski bei der Stimmabgabe am Sonntag.
Tusks Hoffnungen – sowie jene der ihm zugeneigten Wählerschaft – liegen daher auf Rafał Trzaskowski. Der Warschauer Bürgermeister wurde in Oxford ausgebildet, war mehrfach Minister und bis 2018 Abgeordneter im EU-Parlament. Er steht für ein Polen, das eng mit Brüssel, westeuropäischen Partnern zusammenarbeitet – und verspricht daher, Tusks Reformvorhaben zu unterstützen.
Sein Gegenüber: Historiker Karol Nawrocki
Karol Nawrocki dagegen ist politischer Quereinsteiger, er war zuvor jahrelang Leiter des Instituts für Nationales Gedenken, das die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs in Polen vorantreibt.
Er will eine Rückkehr zum europaskeptischen Kurs der jahrelang regierenden rechtskonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die ihn auch in diesem Wahlkampf unterstützte. Nawrocki spricht sich zudem für ein Ende von Waffenlieferungen an die Ukraine aus.

Der EU-skeptische, politische Quereinsteiger Karol Nawrocki.
Im ersten Wahldurchgang belegte Trzaskowski knapp den ersten Platz, damals hatte es aber noch mehrere Rechtskandidaten gegeben. Nawrocki könnte deren Wähler nun auf sich vereinen, galt daher vorab als leichter Favorit. Doch zuletzt kamen Skandale auf: Nawrocki log über die Anzahl seiner Wohnungen (drei) und gestand, in Jugendzeiten Teil einer gewalttätigen Fußball-Hooligangruppe gewesen zu sein.
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