"Ein Mann. Jung, groß, imposant": Das ist der neue Präsident in Polen

Wahlsieger in Polen: Historiker Karol Nawrocki
Wochenlang hatte der Chef der oppositionellen, nationalkonservativen PiS-Partei Jarosław Kaczyński nach einem idealen Kandidaten für die Präsidentenwahlen gesucht: "Der Kandidat für das höchste Staatsamt sollte ein Mann sein. Jung, groß, imposant, mit Familie und Fremdsprachenkenntnissen", sagte Kaczyński dem katholischen Sender Radio Maryja.
Er fand ihn im parteilosen, bisher politisch völlig unerfahrenen Historiker Karol Nawrocki - und hatte mit ihm Erfolg: Nawrocki siegte am Sonntag mit knappem Vorsprung bei den Stichwahlen und wird der nächste Präsident Polens sein.
Harter Schlag für Tusk
Für die liberale, pro-europäische Regierung von Premier Donald Tusk ist das ein harter Schlag. Denn ein polnischer Staatschef, der ungleich mehr Macht hat als ein österreichischer, verfügt über eine entscheidende politische Waffe: das Veto-Recht. Mit diesem kann der künftige Präsident alle Gesetzesvorhaben stoppen - und somit die gesamte Regierung, die dem anderen politischen Lager angehört als Nawrocki, blockieren.
Zur Veranschaulichung: Während der derzeitige Amtsinhaber Andrzej Duda in den Jahren der konservativen PiS-Regierung nur neun Mal bei Gesetzesinitiativen in Veto einlegte, blockierte der PiS-nahe Präsident seit Beginn der Tusk-Regierung vor eineinhalb Jahren bereits sechs Mal.
„Man muss mit Chaos rechnen, denn der neue Präsident wird die Regierung blockieren wollen“, sagt auch Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut in Darmstadt der Deutschen Presse-Agentur. Sein wohl mächtigstes Veto wird sich gegen eine liberalere Gesetzgebung in der Abtreibungsfrage richten. Schon bisher ist die Tusk-Regierung am "Nein" des Präsidenten gescheitert. Alle Versuche, die besonders strengen Abtreibungsgesetze in Polen zu lockern, dürften damit weiter auf Jahre blockiert bleiben.
Hardliner bei der Migration
Auch bei der Migration wird sich der künftige Präsident Polens als Hardliner erweisen. Bereits im Wahlkampf machte er Stimmung gegen die ukrainischen Flüchtlinge in Polen. Mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine erhalten staatliche Unterstützung. Die wolle er kürzen oder gar streichen lassen, kündigte er an.
Und ein besonderer Dorn im Auge ist dem erzkonservativen künftigen Staatschef der "Green Deal" der EU. Den "Öko-Wahnsinn" Europas lehne er ab, hatte er im Wahlkampf immer wieder betont.
Nawrocki bezeichnet sich überdies als Gegner von Pflichtimpfungen für Erwachsene und Kinder. Zudem tritt er vehement gegen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO und der EU auf. Er versprach, die Steuern nicht zu erhöhen - mehr sogar: Er wolle eine Null-Steuer für Familien mit mindestens zwei Kindern einführen sowie die Erbschaftssteuer abschaffen.

Umfragen hatten den Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski als Wahlsieger vorhergesagt
Persönliche Skandale
Mit seinem Sieg widerlegte der gebürtige Danziger Nawrocki jene Umfragen, die darauf hingedeutet hatten, dass er wegen persönlicher Skandale gegen seinen liberalen Rivalen, den Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, verlieren würde: Als junger Mann gewann er einen Titel im Amateurboxen, während des Studiums jobbte er als Türsteher in einem Luxushotel - wo er angeblich Kontakte zum Rotlichtviertel gehabt haben soll. Außerdem soll er sich als einstiger Fußball-Hooligan 2009 an einer riesigen Prügelei beteiligt haben.
Bei vielen seiner jungen Wähler, wo Nawrocki besonders viele Stimmen geholt hat, schadeten ihm diese Gerüchte - die er bestritt - offenbar gar nicht. Großen Rückhalt fand Nawrocki überdies bei den überwiegend streng konservativen, katholischen Wählern in den ländlichen Regionen Polens.

Karol Nawrocki mit seiner Frau Marta am Wahlabend
Wahlempfehlung aus Washington
Zugute kam dem Historiker vor allem die Tatsache, dass er mit Politik bis vor Kurzem gar nichts am Hut hatte. Und dass er kräftige Wahlempfehlungen aus Washington erhielt. So hatte etwa Kristi Noem, die Heimatschutzministerin der USA, die polnischen Wähler bei einer Rede in Budapest dazu aufgefordert, Karol Nawrocki zu wählen. Dessen Gegner Trzaskowski bezeichnete sie hingegen als „ein absolutes Desaster von einem Anführer“. Die Unterstützung des Trump-Teams ging sogar so weit, dass Nawrocki Anfang Mai im Weißen Haus vom US-Präsidenten höchstpersönlich kurz empfangen wurde.
Angeleitet von Trumps "America First"-Parolen lautet auch das Motto des nunmehrigen Wahlsiegers: „Polen zuerst“. Der Vater von zwei Kindern, die er oft zusammen mit seiner Frau Marta auf die Wahlkampfbühnen mitbrachte, will "polnische traditionelle Werte bewahren". Ein Versprechen, das vor allem bei den Wählern auf dem Land großen Anklang fand.
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