Schavan tritt zurück
Die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) tritt zurück. Das gab Angela Merkel (CDU) am Samstag in Berlin nach einem Treffen mit Schavan bekannt. Die Kanzlerin sagte, Schavan habe ihren Rücktritt am Freitagabend angeboten. Sie habe ihn "sehr schweren Herzens" angenommen. Eine sichtlich mitgenommene Schavan sagte vor den Journalisten: "Ich danke der Bundeskanzlerin. Ich danke dir, liebe Angela, für deine Worte heute und für deine Freundschaft."
Bundeskanzlerin Merkel lobte in ihrem Statement ihre enge Vertraute Schavan mehr als die sechs bisher aus ihren Kabinetten ausgeschiedenen Minister: In Berlin und den zehn Jahren zuvor als Bildungsministerin in Baden-Württemberg sei Schavan die „Verkörperung der deutschen Wissenschaftspolitik“ geworden. Weder Merkel noch Schavan nannten als Hauptmotiv für den Rücktritt die Erleichterung der CDU im Wahlkampf.
Die Universität Düsseldorf hatte Schavan am Dienstag wegen "vorsätzlicher Täuschung" in ihrer Promotionsarbeit den Doktortitel entzogen. Schavan will dagegen klagen.
"Die Vorwürfe treffen mich tief"
Nach ihrer Unterredung mit Merkel im Kanzleramt sagte Schavan, sie habe weder abgeschrieben noch getäuscht. "Die Vorwürfe treffen mich tief." Sie wolle mit ihrem Rücktritt Belastungen für das Amt und die Bundesregierung vermeiden.
Ihren Abschied erklärte Schavan so: "Das Amt darf nicht beschädigt werden. Politische Ämter sind Ämter auf Zeit." Nun wolle sie sich auf ihr Bundestagsmandat konzentrieren. In der CDU gab es großen Rückhalt für die Ministerin, von einem unverhältnismäßigen Urteil war die Rede.
Die 57-jährige Schavan gilt als enge Vertraute Merkels und war seit 2005 Bundesbildungsministerin. Erste Plagiatsvorwürfe gegen sie waren Ende April 2012 anonym im Internet aufgetaucht.
Schavan hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht in ihrer 1980 verfassten Doktorarbeit stets bestritten und die Prüfung durch die Uni selbst mitangeregt.
Nachfolgerin ohne Plagiats-Gefahr
Die Bilanz Schavans fällt auch entsprechend weniger glanzvoll aus, als von Merkel behauptet. Das Problem der deutschen Studenten, die wegen mangelnder Qualifikation die Zugangsbeschränkung deutscher Hochschulen nicht schaffen und deshalb österreichische überlaufen, hat Schavan nicht gelöst.
Nachfolgerin wird Johanna Wanka, 61, die bisherige Wissenschaftsministerin von Niedersachsen. Sie war durch die Wahlniederlage der CDU dort vor einem Monat arbeitslos geworden. Zuvor war sie CDU- und Oppositionschefin in ihrer Heimat, im rot-rot regierten Brandenburg gewesen. Weil sie wie Merkel in einem naturwissenschaftlichen Fach promovierte, ist die Gefahr einer Plagiats-Überprüfung durch anonyme Internet-Gegner gering.
"Vielen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke zunächst der Bundeskanzlerin. Ich danke dir, liebe Angela, für deine Worte und deine Würdigung heute und für Vertrauen und für Freundschaft über viele Jahre. Freundschaft hängt nicht an Amtszeiten und wirkt über diesen Tag hinaus.
Meine Damen und Herren, am 2. Mai des vergangenen Jahres sind anonyme Plagiatsvorwürfe im Blick auf meine Dissertation von vor 33 Jahren öffentlich geworden. Ich habe am gleichen Tag den Rektor der Universität in Düsseldorf gebeten, diese Vorwürfe prüfen zu lassen. Die philosophische Fakultät hat am vergangen Dienstag die Ungültigkeit meiner Promotion entschieden. Ich werde diese Entscheidung nicht akzeptieren und dagegen klagen.
Ich habe in meiner Dissertation weder abgeschrieben noch getäuscht. Die Vorwürfe, das habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten mehrfach gesagt, treffen mich tief. Zugleich hatte ich nicht zuletzt in den Tagen der Delegationsreise in Südafrika Gelegenheit, gründlich über politische Konsequenzen nachzudenken.
Wenn eine Forschungsministerin gegen eine Universität klagt, dann ist das mit Belastungen verbunden für mein Amt, für das Ministerium, die Bundesregierung und auch die CDU. Und genau das möchte ich vermeiden, das geht nicht, das Amt darf nicht beschädigt werden.
Politische Ämter sind Ämter auf Zeit. Ich hatte eine lange Zeit, 17 Jahre als Kultusministerin in Baden-Württemberg und jetzt als Mitglied der Bundesregierung seit sieben Jahren, politisch gestalten zu können. Ich habe das gerne getan. Ich habe mich in all den Jahren auf die Loyalität und den hohen Einsatz meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Stuttgart und Berlin verlassen können. Auch deshalb waren es gute Jahre, für die ich sehr dankbar bin.
Ich möchte ausdrücklich den Mitgliedern der Bundesregierung, den Kolleginnen und Kollegen im Parlament quer durch die Fraktionen dafür danken, dass ich in den vergangenen Wochen und Monaten viel Fairness, Zuspruch und Solidarität erfahren habe. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, zumal wenn es quer durch die Fraktionen geht.
Meine Entscheidung resultiert aus genau der Verantwortung, aus der heraus ich mich bemüht habe, mein Amt zu führen. Einer Verantwortung, die verbunden ist mit der Überzeugung, die Erwin Teufel oft formuliert hat in den Worten: Zuerst das Land, dann die Partei und dann ich selbst. Und deshalb denke ich, der heutige Tag ist der richtige Tag, aus dem Ministeramt zu gehen und mich auf mein Bundestagsmandat zu konzentrieren. Vielen Dank."
Mehr als 30 Jahre nach ihrer Doktorarbeit ist die deutsche Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Am Dienstag teilte die Universität Düsseldorf mit, dass ihr der Doktortitel entzogen wird. Eine Chronologie der Ereignisse:
September 1980: Annette Schavan reicht im Alter von 24 Jahren ihre erziehungswissenschaftliche Dissertation "Person und Gewissen" an der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf ein. Die Arbeit wird mit "sehr gut" benotet.
29. April 2012: Auf einer Internetplattform wird anonym der Vorwurf des Plagiats gegen Schavan erhoben.
2. Mai: Die Universität Düsseldorf beauftragt die zuständige Promotionskommission, die Vorwürfe zu prüfen.
10./11. Mai: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht Schavan ihr Vertrauen aus.
27. September: Der Vorsitzende des Promotionsausschusses, Professor Stefan Rohrbacher, legt intern einen Sachstandsbericht vor. Das Ergebnis: An zahlreichen Stellen der Arbeit sei plagiiert worden. Es liege eine systematische Vorgehensweise und damit eine Täuschungsabsicht vor.
14. Oktober: Der "Spiegel" zitiert aus dem vertraulichen Bericht Rohrbachers. Schavan weist eine Täuschungsabsicht zurück.
15./16. Oktober: Merkel spricht Schavan erneut das Vertrauen aus. Rückendeckung bekommt sie auch von ihrem Doktorvater Gerhard Wehle. Auf der Suche nach der undichten Stelle erstattet die Universität Strafanzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Weitergabe vertraulicher Informationen.
17. Oktober: Die Prüfungskommission berät über den internen Bericht Rohrbachers.
10. November: Schavan reicht nach Informationen der "Rheinischen Post" bei der Uni Düsseldorf eine schriftliche Stellungnahme ein, in der sie den Vorwurf des Plagiats bestreitet.
18. Dezember: Die Promotionskommission empfiehlt nach Prüfung der Arbeit und Anhörung Schavans, ein Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels zu eröffnen. Befinden muss darüber der Rat der Philosophischen Fakultät.
22. Jänner: Der Fakultätsrat stimmt mit 14 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung für die Einleitung des Hauptverfahrens zur möglichen Aberkennung des Doktortitels. Für den 5. Februar setzt der Rat eine weitere Sitzung an.
31. Jänner: Schavan räumt im "Zeitmagazin" Flüchtigkeitsfehler in ihrer Doktorarbeit ein, weist den Vorwurf des Plagiats oder der Täuschung aber erneut zurück.
5. Februar: Der zuständige Fakultätsrat der Universität Düsseldorf stimmt im Plagiatsverfahren für die Aberkennung des Doktortitels. Schavan hält sich zu politischen Gesprächen in Südafrika auf.
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