Philippinen: Ein Land geht auf Menschenjagd

Trotz Lynchjustiz und tausender Toter steht die Mehrheit der Bevölkerung hinter Präsident Duterte.

"Dank Präsident Duterte kann ich meine Tochter endlich beruhigt auf der Straße spielen lassen", sagt Dumlao, ein philippinischer Soldat, gegenüber dem KURIER. Duterte sei der beste Präsident, den sein Land je gehabt habe. Dass auf vielen Straßen das Blut von beinahe 2000 getöteten mutmaßlichen Drogendealern noch nicht getrocknet ist, stört Dumlao nicht. "Sie haben es verdient", ist er überzeugt.

Seit Rodrigo Duterte am 30. Juni als Präsident der Philippinen vereidigt wurde, findet dort eine beispiellose Menschenjagd statt: Mehr als 10.000 mutmaßliche Drogendealer wurden verhaftet, die Polizei hat bis jetzt 756 Verdächtige erschossen, knapp 1200 wurden von sogenannten Todesschwadronen hingerichtet. Ohne Verfahren, ohne rechtliche Grundlage, auf Aufforderung des Präsidenten.

Schon während seines Wahlkampfes hatte Duterte angekündigt, unbarmherzig gegen die Drogenkriminalität im Land vorzugehen. "Ich werde euch alle umbringen, in die Bucht von Manila werfen und damit die Fische füttern", hatte er getönt.

In einem halben Jahr will Duterte Kriminalität und Korruption beendet haben, dazu forderte er die Bürger auf, "jeden Drogendealer in der Nachbarschaft zu erschießen".

Kritiker beschimpft

Die Senatorin und ehemalige Justizministerin Leila De Lima will eine Untersuchung der Morde vornehmen, da "solche Taten eine Untersuchung verlangen". Duterte nannte sie daraufhin eine "unmoralische Frau" und warf ihr vor, durch ihren Ex-Freund in den Drogenhandel verstrickt zu sein.

Auch die Kritik von Menschenrechtsorganisationen, UNO oder Botschaftern scheint Duterte egal zu sein – vergangenen Sonntag hatte er angekündigt, aus der UNO austreten zu wollen, nachdem er für seine Politik kritisiert wor-den war. Im Nachhinein nannte er seine Aussage einen "Spaß".

Trotzdem genießt Duterte massiven Rückhalt in seiner Bevölkerung. "Alle Gesellschaftsschichten glauben mehrheitlich, dass der Präsident einen guten Job macht", erzählt Saya, eine Studentin aus der Hauptstadt Manila. Sie selbst habe ihn nicht gewählt, könne ihre Mitbürger aber zum Teil verstehen: "Ihr Europäer könnt euch nicht vorstellen, wie es davor bei uns war – die Drogenkriminalität ist massiv gestiegen, und Duterte unternimmt etwas dagegen. Dass seine Maßnahmen an Unmenschlichkeit nicht zu überbieten sind, steht außer Frage", berichtet sie.

Es herrscht Angst

Die Stimmung in ihrem Freundeskreis beschreibt Saya als skeptisch, viele hätten aber Angst, gegen Duterte zu demonstrieren.

Angst haben auch Drogenabhängige auf den Philippinen. Seit die Jagd gegen sie begonnen hat, haben sich rund 650.000 von ihnen freiwillig bei der Polizei gemeldet, um nicht erschossen zu werden. Die Behörden registrieren sie, machen Fotos, nehmen Fingerabdrücke. Sie müssen ein Rehab-Programm durchlaufen, regelmäßige Drogentests und Beratungsgespräche absolvieren.

Saya ist von diesen Maßnahmen schockiert: "Wie sollen diese Menschen je wieder einen Job finden, je wieder normal leben können, wenn sie vom Staat die ganze Zeit beobachtet werden?", gibt sie zu bedenken. Dumlao ist da anderer Meinung: "Endlich haben diese Junkies die Möglichkeit, ihr Leben umzukrempeln. Sie sind selber schuld daran, dass sie vielleicht nicht mehr so gute Chancen haben."

Sechs Jahre wird Rodrigo Duterte regieren, eine Wiederwahl ist auf den Philippinen nicht möglich. Zumindest das beruhigt Saya: "Wir hatten mehr als 20 Jahre unter Diktator Marcos zu leiden, immerhin darf Duterte nur sechs Jahre im Amt bleiben. Ich bete dafür, dass etwas Besseres nachkommt."

Bis dahin wird noch viel Blut auf den Straßen vergossen werden, Dumlaos Tochter wird dann zu alt sein, um dort zu spielen.

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