„Es gibt keine magische Formel zur Beendigung der Streiks“, hatte Premierminister Edouard Philippe am Vortag gewarnt – eine Untertreibung, wie man nach seiner Rede zur Rentenreform am Mittwoch konstatieren konnte: Ausgerechnet der moderatere Teil der Gewerkschaftsbünde, die Philippe zu besänftigen suchte, reagierte enttäuscht bis aggressiv.
Der unbefristete Bahn- und Metro-Streik, der seit sieben Tagen für Chaos im Pariser Großraum sorgt, geht also weiter. Dabei enthielt die Ansprache Zugeständnisse. Erwartungsgemäß bekräftigte Philippe das Ziel, das Emmanuel Macron während seiner Wahlkampagne 2017 für das Präsidentenamt hervorgestrichen hatte: die Zusammenführung der 42 unterschiedlichen Pensionskassen zu einem einzigen System, wobei als Berechnungsgrundlage erworbene Entgelt-Punkte dienen sollen. Dieses System werde zwar ab 2025 in Kraft treten, aber niemand, der vor 1975 geboren ist, sei betroffen. Komplett gelte es erst für die Geburtsjahrgänge ab 2004, beschwichtigte Philippe.
Eine Mindestrente von 1000 Euro wird erstmals auf Bauern und Gewerbetreibende ausgedehnt, ein Elternteil erhält bereits ab dem ersten Kind (bisher ab dem dritten) einen Bonus an Entgelt-Punkten, was vor allem alleinerziehenden Müttern zu Gute kommt. Im Fall von Schwerarbeit kann der Pensionsantritt zwei Jahre früher erfolgen, als es die Anspruchsberechtigung vorsehen würde. Einer der Haupt-Kritikpunkte der Gewerkschaften lautete, der Gegenwert der Entgelt-Punkte könnte gesenkt werden. Nun versprach der Regierungschef ein Gesetz, das eine Senkung verbietet und eine automatische Wertsteigerung im Gleichschritt mit den Gehältern enthält – und nicht bloß der Inflation.
Die gewerkschaftliche Ablehnung entzündete sich freilich wieder an der Frage der Sonderpensionen der Eisenbahner und Pariser Öffis, von denen ein Teil noch mit 52 Jahren seinen Ruhestand antreten kann. Der Premier ließ keinen Zweifel an ihrer Abschaffung. Die Übergangsfristen zur Einheitspension müssten die Gewerkschaften mit den jeweiligen Unternehmensleitungen aushandeln. Treuherzig versicherte er, er wolle „niemanden stigmatisieren“, aber „der Fortbestand von angeblichen oder echten Privilegien“ sei „immer schädlich“.
Bonus-Malus-System
Damit punktete Philippe möglicherweise, zumal die Pensionsvorteile bei Bahn und Metro etliche Franzosen ärgern. Frankreichs größte Gewerkschaftsunion, die eher gemäßigte CFDT, empörte sich aber vor allem wegen der Ankündigung, neben dem weiterhin geltenden Pensionsantrittsalter von 62 Jahren ein Bonus-Malus-Antrittsalter von 64 Jahren einzuführen. Man müsse „ein wenig länger arbeiten, um künftigen Generationen nicht das jetzige Defizit aufzuhalsen“, erklärte Philippe.
Vergebens: Die CFDT beharrt darauf, zuerst das Reformsystem zu vereinheitlichen und erst in einer zweiten, getrennten Phase das Defizit-Problem anzugehen. Der springende Punkt, der bisher für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgte, war aber die mangelnde Berechenbarkeit der künftigen Pensionen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass berufsspezifische Verhandlungen zu einer Beruhigung führen. Schnell wird das aber kaum gehen.
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