Ja, natürlich sind mir diese jungen Leute bekannt, und mit jedem Einzelnen gibt es auch kein Problem. Aber es entwickelte sich ein Phänomen der Gruppen-Gewalt, durch das sie sich mitreißen ließen. Mir ist es aber auch wichtig zu sagen, dass nun sehr viel über die 40 Personen gesprochen wird, die sich an den Krawallen beteiligten, aber nicht über die 1.500 jungen Leute, die friedlich zu Hause blieben.
Haben Sie Maßnahmen getroffen, um die Situation zu beruhigen?
Ich habe eine nächtliche Ausgangssperre für Minderjährige verordnet. Mir war bewusst, dass sich die Krawallmacher nicht unbedingt daran halten würden, aber ich wollte ein Signal an die Eltern aussenden, damit sie den Ernst der Lage verstehen: Lasst eure Kinder nachts nicht mehr raus, um die Stadt zu terrorisieren! In der Folge war deutlich weniger los. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt, aber sie ist äußerst fragil. Gewalt kann jederzeit wieder aufflammen.
Sie gehörten zu einer Gruppe von Bürgermeistern, die Ende Mai in einem offenen Brief an Präsident Emmanuel Macron vor der explosiven Situation in den Banlieues warnten und einen „Notfall-Plan“ forderten.
Uns allen war klar, wie angespannt die Lage in den sozialen Brennpunkten ist, wo die Menschen stark unter der Inflation leiden und teils ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Seit Monaten forderten wir vom Präsidenten ein Konzept für die Stadtviertel mit besonderem Entwicklungsbedarf. Schließlich ließ uns das Kabinett der Premierministerin wissen, dass Präsident Emmanuel Macron nach Marseille fahren und große Ankündigungen machen werde. Er sprach dort zwar über Verbesserungen bei der Schule, aber es fehlte eine Gesamt-Vision. Am nächsten Tag folgte der Tod von Nahel, und die Unruhen brachen aus.
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Was fordern Sie, um die Lage dauerhaft zu verbessern und neue Gewaltausbrüche zu vermeiden? Die Wohnungsfrage ist zentral. In Frankreich gibt es Städte, die die gesetzliche Verpflichtung von 20 Prozent Sozialwohnungen missachten und lieber eine Geldbuße bezahlen als für soziale Durchmischung zu sorgen – diese Strafe muss viel höher werden. Denn bis jetzt konzentriert sich die Armut mit all den zusammenhängenden Problemen oft an einer Stelle. Außerdem fehlen Erwachsene vor Ort. Nun wird mit dem Finger auf die Eltern gezeigt, aber diese gehen meist arbeiten. Tagsüber sind viele Teenager auf sich selbst gestellt. Es gibt einen dramatischen Mangel an Sozialarbeitern, schulischer Begleitung und an Psychologen. Manche Politiker fordern nun mehr Repression oder die Einstellung von Sozialzahlungen für Eltern. Das löst unsere Probleme aber nicht.
Was löst sie dann?
Wir brauchen Investitionen in die Erziehung, die Kultur, den öffentlichen Raum, in den Wohnungsbau. Aber auch einen anderen Blick, denn diese Viertel sind nicht das Problem, sondern der Ort für Lösungen. Diejenigen, die etwas anstellen, muss man verfolgen und sanktionieren, aber zugleich ist es wichtig, die Erfolge der anderen hervorzuheben. Vor zwei Wochen gaben Jugendliche aus unserer Stadt ein Konzert in der Philharmonie von Paris. Fast drei Jahre lang haben sie dafür geprobt, die Instrumente erhielten sie durch ein öffentliches Bildungsprojekt. Das Ergebnis war toll.
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