"Panama steht nicht zum Verkauf": Ein Land kämpft gegen Kupferabbau
            
            Die Aktivistin trägt ein T-Shirt in den Nationalfarben Panamas, rot, weiß, blau. Auf einem Karton steht "Panama no se vende" – "Panama steht nicht zum Verkauf" und "El oro de Panamá es verde" – "Panamas Gold ist grün". Der Menschenzug hinter ihr hält ähnliche Schilder hoch, Nationalfahnen werden geschwenkt, auf Trommeln und Kochtöpfe geschlagen.
In anderen Regionen Panamas eskaliert die Unzufriedenheit, Autoreifen werden angezündet, Rauchbomben und Steine geworfen, Polizisten setzen Tränengas gegen die Demonstrierenden ein. Am Dienstag hat ein Weißer, inoffiziellen Berichten zufolge ein US-Bürger, auf offener Straße zwei Protestierende erschossen.
            
            
            Menschen protestieren während eines Marsches gegen den Regierungsvertrag mit dem kanadischen Bergbauunternehmen First Quantum in Panama-Stadt am 3. November 2023.
Das lange als stabil und wirtschaftlich attraktiv geltende, mittelamerikanische Panama wird aktuell von einer der heftigsten Protestbewegungen seit Jahrzehnten heimgesucht, die gravierende Folgen für den Alltag der Bevölkerung hat: Lebensmittel und Sprit werden knapp, Schulen bleiben geschlossen, Straßenblockaden bringen den Verkehr zum Erliegen.
Der Protest schlägt immer mehr in eine regierungskritische Bewegung um, gegen steigende Lebenshaltungskosten, Korruption und die harte Reaktion der Polizei auf die Unruhen. Dabei richtet er sich ursprünglich gegen eine umstrittene Bergbau-Lizenz, die einem kanadischen Mega-Konzern ein jahrzehntelanges Schürfrecht einräumt.
Worum geht’s?
Die Regierung hat der Firma First Quantum, Kanadas größtem Kupfer-Produzenten, ein 20-jähriges Schürfrecht mit der Option auf eine Verlängerung um weitere 20 Jahre erteilt – im Gegenzug für eine jährliche Gebühr in der Höhe von 375 Millionen Dollar.
Das entspricht etwa einem halben Prozent des BIP des Landes. Aus der Kupfermine von First Quantum, Cobre Panamá, die größte in Mittelamerika, stammen etwa 1,5 Prozent der weltweiten Kupferproduktion.
Eine 1997 für die Mine erteilte Lizenz wurde 2017 vom Obersten Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt. Seit 2021 gab es Verhandlungen um ein neues Vertragsgesetz. Am 23. Oktober billigte dieses das Parlament, die Regierung segnete es ab.
➤ Mehr lesen: Green Deal: Indigene in den Anden kämpfen gegen Lithiumabbau
Was will die Regierung?
Den Bergbausektor ausbauen: Kupfer ist ein wesentlicher Bestandteil für Batterien in Elektroautos, und daher ein weltweit stark nachgefragtes Element – vor allem in Zeiten der Energiewende. Laurentino Cortizo, Präsident von Panama, sagt, der Vertrag sichere um die 9.000 Arbeitsplätze. Die Einnahmen ermöglichten zudem die Finanzierung des Pensionssystems, so Cortizo.
Die Regierung ruft nach einem Ende der Proteste: So hätten die Straßensperren nach Angaben von Wirtschaftsverbänden zu täglichen Verlusten von bis zu 80 Millionen Dollar geführt.
➤ Mehr lesen: Nicht nur Gas: Europas enorme Abhängigkeit
            
            
            Teilweise eskalierten die Proteste bereits, es kam zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Polizei, 31. Oktober 2023.
Was wollen die Demonstrierenden?
Eine Annullierung des Vertragsgesetzes. Sie argumentieren, dieses sei verfassungswidrig und in Rekordzeit – innerhalb von drei Tagen – ausgearbeitet worden; die Bevölkerung habe ihre Bedenken über die Umweltauswirkungen nicht äußern können. First Quantum behauptet, die Mine entspreche höchsten Umweltstandards. Das Umweltministerium von Panama und Gemeinden in der Nähe der Mine haben im Laufe der Jahre jedoch immer wieder Fälle von Wasserverschmutzung gemeldet.
Die Demonstrierenden befürchten, dass der Fall künftige internationale Minen-Projekte erleichtern könnte. Sie stellen sich gegen eine Ausweitung des Bergbaus generell: Umweltschützer warnen vor den Auswirkungen der Minen auf die Umwelt, Gewerkschafter vor den Vertragsbedingungen für die Beschäftigten.
Stimmen die Vorwürfe der Demonstrierenden?
Zur Gewinnung von Kupfer werden Unmengen von Wasser benötigt und verschmutzt, um das Metall vom Gestein zu trennen. Umweltschützer sind besorgt, weil das Wasser für die Minen aus natürlichen Quellen kommt. Das gefährde die Wasserversorgung der Bevölkerung. Durch das Wetterphänomen El Niño sind Teile Mittelamerikas aktuell von einer enormen Wasserknappheit betroffen, der Panamakanal musste bereits Teile seines Schiffsverkehrs einstellen.
Die Vertreter der nationalen Minenkammer haben wenig Verständnis für den Protest: Sie vertreten die Ansicht, der Bergbau habe viel zur Verbesserung und nachhaltigen Entwicklung in der Region beigetragen. Die Umwelt würde berücksichtigt, Arbeitsplätze geschaffen werden.
➤ Mehr lesen: Rohstoffhunger: Warum Bergbau in der Tiefsee für Kontroversen sorgt
4,5 Millionen Einwohner zählt das mittelamerikanische Land – etwa die Hälfte Österreichs. Bekannt ist das Land für den gleichnamigen Kanal, über den 3 Prozent des globalen Handelsschiffsverkehrs laufen. 46 Prozent aller Container, die von Nordost-Asien an die Ostküste der USA gehen, nutzen die Wasserstraße.
Panama wuchs in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftlich sehr erfolgreich, die Armut ging zurück. In den letzten Jahren stieg die Arbeitslosigkeit wieder, der Graben zwischen Arm und Reich wuchs. Das Leben ist für viele nicht mehr leistbar. Der Bergbausektor wurde zuletzt von der Regierung stark gefördert und macht Regierungsangaben zufolge einen Anteil von 10 Prozent des BIP aus.
Wie geht es weiter?
Zwar hat die Regierung angekündigt, neue Bergbauverträge aufzuschieben, nicht aber den umstrittenen Vertrag mit First Quantum. Cortizo hat ein landesweites, bindendes Referendum im Dezember vorgeschlagen. Doch die Proteste reißen nicht ab. Die Mitte-Links-Regierung hat mit einer niedrigen Zustimmung von nur 18 Prozent zu kämpfen.
Das Oberste Gericht Panamas könnte den Deal noch kippen; es hat zugestimmt, Klagen anzuhören. Im kommenden Mai finden in Panama Parlamentswahlen statt.
Kommentare