Green Deal: Indigene in den Anden kämpfen gegen Lithiumabbau
Umweltzerstörung unter dem Deckmantel der Energiewende - so könnte man die Kritik zusammenfassen, die drei Indigenen-Vertreter gegenüber der APA am Lithiumabbau in Südamerika sowie dem Green Deal der EU und äußern.
Ercilia Araya Altamirano, Patricia Muñoz Cabrera und Ariel León Bacián setzen sich mit den Folgen der Lithiumgewinnung im "weißen Dreieck" zwischen Chile, Bolivien und Argentinien auseinander - beziehungsweise sind sie damit konfrontiert.
In Lateinamerika befinden sich rund 60 Prozent des weltweit entdeckten Lithiums, das meiste davon in Chile. Der Name Atacama-Wüste fällt dabei häufig. Sie erstreckt sich von Norden nach Süden über rund 1.300 Kilometer, von Ost nach West sind es "nur" 180. In dieser Landschaft, zu einem Großteil in Chile gelegen, befinden sich eine Menge Regionen mit den begehrten Rohstoffen. Deren Abbau bedroht nicht nur die Natur, sondern auch die dort lebenden Menschen, wie die an der Universität Brüssel promovierte Soziologin Muñoz Cabrera schildert.
Ähnlich wie bei Erdöl müsse man bohren, wenn auch nicht so tief. "Doch die Schichten, die das Salz vom Süßwasser trennen, sind so dünn, dass in manchen Fällen die Bergbauindustrie die ökologische Ordnung gestört hat und nun einige Salzlandschaften kurz vor dem Austrocknen stehen", so Muñoz Cabrera.
Ercilia Araya Altamirano erfährt das am eigenen Leib. "Als die ersten Bergbauunternehmen kamen, legten sie 76 Hektar an Feuchtgebieten trocken", berichtet die Anführerin von Indigenen der Maricunga-Salzebene im Osten Chiles. Dabei sei auf dem besagten Areal kein Wasser übriggeblieben. Das Interesse habe zunächst noch Kupfer gegolten.
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Das sei bereits ein drastischer Eingriff in ihr Leben gewesen, doch als die Nachfrage nach Lithium gestiegen sei, habe sie erkannt, dass ihr Leben und das ihrer Familie in Gefahr sei und sie Maßnahmen ergreifen müsse. So seien etwa Nutztiere erkrankt und gestorben. "Für uns ist dieses Land heilig", sagt Araya Altamirano. "Unsere Vorfahren haben uns gelehrt, dass das Salz heilig ist. Da haben wir zu kämpfen begonnen." Es dürfte ein schwieriger Kampf sein, denn: "In Chile gibt es keinen Respekt für die Umwelt. Wir werden nicht gefragt."
Entzug der Lebensgrundlage
Die Konsequenz der vorgeworfenen Ignoranz ist der Entzug der Lebensgrundlage. "Unsere Lebensweisen sind für Generationen zerstört", klagt Araya Altamirano. Ihr Volk lebe seit tausenden von Jahren in dieser Gegend. Es habe eine große Tradition der Viehzucht und nehme auf die Umwelt Rücksicht. Auch nachfolgende Generationen würden im Maricunga leben und es nutzen wollen.
"Die Kinder verstehen das Land und seine Schönheit, sie wissen, wie man Käse macht, Schafe hütet und schert." Das Leben im Einklang mit der Natur, so legen ihre Aussagen nahe, ist eine Notwendigkeit. "Wenn wir für unsere Ökosysteme nicht Sorge tragen, können wir unseren Lebensstil nicht erhalten." Es ist ein Satz, den man sich auch in Europa vergegenwärtigen sollte. "Um welchen Preis macht man das alles in einer Region, in der kaum Regen fällt?", fragt Araya Altamirano über den Lithiumabbau.
Umweltschutz kann keine Lobby
Dass Umweltschutz in Chile keine starke Lobby hat, kann Ariel León Bacián bestätigen. Der auf Indigenen-Rechte spezialisierte Anwalt lässt kein gutes Haar an der politisch-rechtlichen Situation in Chile. Es gebe beispielsweise Bemühungen um ein neues Gesetz zu Lithium, aber keine parlamentarische Mehrheit dafür. Bacián verweist dahingehend auch auf die Schwierigkeit, eine neue chilenische Verfassung aufzusetzen, da die rechtsextremen Kräfte eine Mehrheit in der Verfassungskammer hätten.
Bacián deutet an, dass dieser Umstand es schwierig mache, Mechanismen zu verankern, die die Indigenen im Kampf um ihr Land und gegen den Abbau schützt. Es ist also nicht verwunderlich, dass der Anwalt Misstrauen gegenüber dem Staat hegt: "Wir sind Fremde im eigenen Land."
Dennoch pocht er darauf, dass der Staat die Rechte der Indigenen gegenüber den Bergbaufirmen vertritt. Den Gutachten der Firmen, die wasserschonendere Abbaumethoden nahelegen, traut er nicht. Er verlangt, dass der Staat selbst die hydrogeologische Situation untersucht.
Wie grün ist der Green Deal?
Bacián, Araya Altamirano und Muñoz Cabrera werfen bei dem Termin eine gewichtige Frage auf. Wenn für den Lithiumabbau im Zuge des Green Deal der Europäischen Union Ökosysteme zerstört werden, wie grün ist dann dieser Deal? Für Muñoz Cabrera ist der Projektname eindeutig Greenwashing. "Die Bezeichnung tarnt das Interesse der reinen Profitmaximierung auf Kosten von lokalen Ökosystemen", erklärt sie. Sie liefert eine Begründung für Baciáns Misstrauen gegenüber der staatlichen Autorität:
Chile habe eine lange Kolonialgeschichte, in deren Zuge indigene Völker auseinandergerissen worden seien und deren Rechte man verletzt habe. Die Lithium-Strategie der EU jedoch begünstige die Bergbauunternehmen und ignoriere indigenes Wissen. "Die EU bricht ihr Versprechen, bei der Gewinnung dieser Rohstoffe keinen Schaden anzurichten." Ihr, Muñoz Cabreras, Eindruck aber sei, dass das Geschäft über allem stehe - ohne Rücksicht auf Umweltschutz.
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