Pakistan: Wahl unter Ausschluss des Favoriten
Von Raphael Bossniak
Pakistans beliebtester Politiker sitzt im Gefängnis. Trotzdem wählt die Atommacht heute, Donnerstag, ein neues Parlament: Ex-Premier Imran Khan wird die Weitergabe von Geheimdokumenten vorgeworfen, doch hinter der Inhaftierung steckt das einflussreiche Militär des Landes – mit dem hatte sich Khan zerstritten.
„Gäbe es freie Wahlen, würde Imran Khans Partei PTI gewinnen“, sagt der deutsche Pakistan-Experte Leo Wigger von der Candid Foundation. Doch das scheint unmöglich: Der PTI wurde ihr Wahlsymbol – der Cricketschläger, eine Anspielung auf Khans Karriere als Cricket-Star – entzogen. In einem Land, wo rund die Hälfte aller Erwachsenen weder lesen noch schreiben können, ein fataler Nachteil.
„Khan gilt als enorm charismatisch. Als ehemaliger Cricketspieler ist er als Sportstar vergleichbar mit Toni Polster oder Franz Beckenbauer“, sagt Wigger. In Pakistan ist Cricket Nationalsport. Doch nicht nur Khans Glamourfaktor und seine islamisch-nationalistische Rhetorik haben ihn zum Hoffnungsträger gemacht, besonders für junge Pakistanis. Khans Antritt 2018 war eine Alternative zum festgefahrenen Parteiensystem, das von den Familien Sharif und Bhutto dominiert worden war.
Duell der Familien
Ebendiese Familien feiern nun ihr Comeback. Favorit ist die Muslimliga von Premier Nawaz Sharif. Die Partei gilt in dieser Wahl als Verbündete des Militärs. Doch das war nicht immer so: Parteichef Sharif wanderte einst nach einem Zerwürfnis mit der Armee, die immer wieder Partner fallen lässt, wenn sie sich als zu widerspenstig herausstellen, ins Gefängnis und ging ins Londoner Exil. Jetzt ist der Industrielle zurück – wohl auf Signal von Strippenziehern in den Streitkräften.
„Nawaz Sharif gilt als Volkstribun. Aber die Wählerschaft der Muslimliga ist enttäuscht, weil der Regierung unter dem zweiten Sharifbruder Shahbaz 2022-2023 kein wirtschaftliches Comeback gelang“, sagt Wigger. Doch auch die Mitte-links-Volkspartei von Bilawal Bhutto Zardari, Sohn der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, hat Chancen auf den Wahlsieg.
Königsmacher Militär
Mithilfe der Armee nahestehender Kandidaten können die Streitkräfte bestimmen, wer die nächste Regierung führen wird. Selbst Khan wurde erst mit Unterstützung der Armee Regierungschef. „Es ist bis jetzt keinem Zivilisten gelungen, das Primat des Militärs zu brechen“, sagt Wigger. Die Militärherrschaft hat eine lange Tradition, erklärt der Pakistan-Experte: „Seit der Unabhängigkeit Pakistans hält das Militär die Zügel fest in der Hand. Aber die Armee hat an Beliebtheit eingebüßt.“ Nicht zuletzt, weil der 200 Millionen Einwohner starke Staat in einer wirtschaftlichen Sackgasse steckt.
„Der Wahlsieger wird alle Hände voll zu tun zu haben, den Staatsbankrott abzuwenden“, sagt Wigger. Pakistan ist hoch verschuldet, nun droht auch das mehrere Milliarden starke Rettungspaket des Internationalen Währungsfonds zu enden. Pakistan hatte versucht, Investoren aus den Golfstaaten und dem Westen anzulocken. Doch die grassierende Korruption vereitelte diesen Rettungsplan. „Pakistan hat eine große junge Bevölkerung, das Wirtschaftswachstum ist aber viel zu niedrig. Das ist eine hochexplosive Gemengelage“, sagt Wigger.
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