Oslo-Attentäter zeigt keine Reue

Oslo-Attentäter zeigt keine Reue
Vor Gericht plädierte Anders Behring Breivik auf "nicht schuldig": Er habe Europa retten wollen. Erstmals sprach er auch von Komplizen.

Die Menge vor dem Osloer Stadtgericht tobte, als am Montagnachmittag der schwarze Wagen mit Anders Behring Breivik vorfuhr. "Verdammter Mörder", riefen die Menschen, Jugendliche traten gegen das Auto. Breivik, der am Freitag Oslo und ein Jugendcamp auf Utøya angegriffen hatte, wurde durch den Keller in das Gebäude gefahren.

Der rechtsextreme Islam-Hasser gestand, die Anschläge verübt zu haben, plädierte aber auf "nicht schuldig". Seine Taten seien "grausam, aber nötig" und nicht kriminell gewesen, hatte er schon der Polizei gesagt. Zudem behauptete Breivik, dass es "in meiner Organisation" zwei weitere Zellen gebe.

Die Anhörung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Haftrichter hatte Breiviks Antrag, Medien zuzulassen, abgelehnt. Der 32-Jährige sollte das Gericht nicht für Propaganda missbrauchen können. Breivik, der wegen Terrorismus angeklagt wurde, war auch nicht gestattet, Uniform zu tragen.

Ursprünglich wurde die Zahl der Opfer auf der Insel mit 93 angegeben, die Polizei korrigierte dies nun auf 68. Bei der Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel waren acht Menschen ums Leben gekommen.

"Massenimport von Muslimen"

Als Motiv nannte Breivik vor Gericht die Rettung Norwegens und Europas vor "Kulturmarxisten", wie er die Befürworter multikultureller Gesellschaften nennt. Er habe ein "scharfes Signal" aussenden wollen. Die regierenden Sozialdemokraten, die das Camp auf Utøya veranstaltet hatten, hätten den Preis für ihren "Verrat" bezahlen müssen. Sie seien schuld am "Massenimport" von Muslimen, die Norwegen "kolonialisieren" würden. Mit der Ermordung der Jugendlichen habe er der Partei den "größtmöglichen Verlust" zufügen und die Rekrutierung neuer Mitglieder verhindern wollen.

Der Richter verhängte eine achtwöchige Untersuchungshaft, die Hälfte in kompletter Isolation. Breivik darf bis 22. August weder Briefe noch Besuch empfangen und keine Medien nutzen. Das soll verhindern, dass er Beweise vernichtet. Der Prozesstermin soll festgesetzt werden, wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Wie Polizeiankläger Christian Hatlo am Montag außerdem ankündigte, wird Breivik rechtspsychiatrisch auf seine Zurechnungsfähigkeit untersucht

Breivik, der sich als christlich, Freimaurer und Tempelritter bezeichnet, hatte laut seinem 1518-seitigen Internet-Manifest Kontakt zu britischen Rechten. Er lobt sie wie den serbischen Kriegsverbrecher Karadzic und die rechtsextreme Jobbik-Partei in Ungarn. Die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der damaligen Tschechoslowakei sieht er als Beispiel für den Umgang mit Muslimen.

Feindbilder

Feinde seien alle Politiker oder Parteien, die Europa dem Islam unterwerfen würden, darunter Österreichs Grüne, SPÖ und ÖVP. Spezialmunition Im Vorjahr habe er Prag besucht, so Breivik, um Waffen zu besorgen - was scheiterte. Die Munition, die er auf Utøya verwendete, war sogenannte Dum-Dum-Munition. Diese wird bei der Jagd verwendet, zersplittert im Körper und bewirkt massive Verletzungen. Breivik wollte nicht nur Jugendliche töten, sondern auch Ex-Premierministerin Brundtland, die vor dem Massaker auf Utøya war. Dass das nicht gelang, habe an seiner "Verspätung" gelegen. Auch den Angriff mit der 500-Kilo-Bombe habe er sich anders, nämlich noch heftiger, vorgestellt.

In einem Interview sagte Breiviks in Frankreich lebender Vater, der seinen Sohn zuletzt 1995 gesehen haben will: "Er hätte sich erschießen sollen. Ich werde mein ganzes Leben mit der Schande leben müssen."

"Brüder und Schwestern in Österreich"

Das 1500 Seiten starke Dokument mit dem Titel "2083. A European Declaration of Indepence" liegt KURIER.at vor. Auf Österreich nimmt der Autor dabei mehrfach Bezug und nennt das Land neben zahlreichen anderen Staaten als Ziel für Angriffe mit "hoher Priorität":

- In der Einleitung bedankt er sich unter anderem bei den "Brüdern und Schwestern" aus Österreich.

- Weiters behauptet der Verfasser, neben anderen Ländern auch Österreich besucht zu haben.

- Österreich zählt er zu jenen Ländern, die sich "mehr oder weniger der islamischen Herrschaft" unterworfen haben sollen.

- Neben anderen europäischen Staaten bietet die "europäische Widerstandsbewegung" in dem Manifest auch Österreich die "volle Begnadigung" an, sollte sich der Staat bis 1. Jänner 2020 ergeben. Sollten sich die Staaten nicht ergeben, so werden detaillierte Angriffspläne mit Hilfe von nuklearem Material beschrieben. Österreich wird dabei neben zahlreichen anderen europäischen Ländern als Ziel mit "hoher Priorität" genannt. Im Kapitel "Zielländer mit betriebsbereiten Reaktoren" führt er unter anderem das österreichische Kraftwerk Zwentendorf an.

- Auch Demonstrationen in Wien im Jahr 2008 gegen EU-Vertrag von Lissabon, sind dem Autor einen ganzen Absatz wert. Dabei kritisiert er, dass europäische Regierungen gegen den Willen ihrer Bevölkerungen agieren.

- Dem "Österreich-Haider Vorfall" widmet sich der Verfasser des Manifestes im Detail. Neben den Sanktion gegen Österreich nach dem Antritt der Schwarz-Blauen Regierung habe die EU auch die "marxistischen/multikulturellen Medienorganisationen" versammelt und eine "Kampagne der psychologischen Kriegsführung" gegen die österreichische Bevölkerung gestartet. Die Österreicher seien "genötigt worden ihre Ansichten zu ändern" und seien von der Weltpresse "als Land voller Nazis" dargestellt worden.

- Die österreichischen Grünen, die Volkspartei und die Sozialdemokraten werden (neben vielen anderen europäischen Parteien) als "Kultur-Marxisten/selbsmörderische Humanisten/kapitalistische Globalisten" bezeichnet.

- Die Freiheitliche Partei (FPÖ) und das BZÖ führt der Autor in der Liste von "Anti-Einwanderungs und Anti-Nationalistische Parteien" an.

- Gleich mehrere Seiten befassen sich mit der Türkenbelagerung von Wien. Seine bizarren Abhandlungen zur europäischen Geschichte münden in dem Vorschlag den 12. September 1683 (Ende der 2. osmanischen Belagerung Wiens) zum europäischen Feiertag zu erklären.

- Auch die Debatte um religiöse Symbole in österreichische Kindergärten war dem Verfasser einen Absatz wert. So sei "in Wien im Dezember 2006 Santa Claus aus den Kindergärten entfernt worden. (...) Viele Beobachter beschuldigten die kommunalen Behörden sich bei der wachsenden muslimischen Bevölkerung einzuschleimen"

Video

Oslo-Attentäter zeigt keine Reue

Auch ein rund 12 Minuten langes Video wurde auf diversen Plattformen im Internet veröffentlicht. Darin hetzt der Verfasser gegen die multikulturelle Gesellschaft und die Islamisierung Europas. Auch seine Beiträge in einschlägigen Online-Foren zeigen ihn als Nationalisten, Fremdenfeind, Islam-Hasser. Von Neonazis distanziert er sich. Das Antirassistische Zentrum in Oslo erklärte, dass Beobachter der rechten Szene Anders Breiviks Aktivitäten schon länger registriert hätten.

Breivik, der auch für die rechte Fortschrittspartei tätig war, teilt die Welt in zwei Gruppen ein: in "Kulturkonservative", zu denen er sich zählt, und "Kulturmarxisten" bzw. "Multikulturalisten", die er auch bei den Sozialdemokraten ortet und die eine offene Gesellschaft fordern.

Breivik war bisher unbescholten. Bis auf ein Verkehrsdelikt war er laut der Zeitung Verdens Gang (VG) nie mit der Polizei in Kontakt. Der Mann, der auf der Osloer Handelsschule studiert hat, betreibt seit 2009 die kleine Firma "Geofarm" nördlich von Oslo, baut Obst und Gemüse an. Im Frühjahr kaufte er angeblich sechs Tonnen Kunstdünger, wie er zum Bombenbau benutzt wird.

Der Mann, der sich laut Polizeiangaben freiwillig festnehmen ließ, hat mit seiner Mutter eine Wohnung im Westen Oslos. Laut VG dürfte er zuletzt aufs Land übersiedelt sein. Auf seinen Namen sind eine Glock und ein automatisches Gewehr zugelassen. Er war Mitglied im Osloer Schützenverein.

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