Orban will Massenabschiebung von Flüchtlingen

Mehr als eine Million Flüchtlinge sollen in großen Lagern außerhalb der EU zusammengefasst werden, geht es nach dem ungarischen Regierungschef.

Geht es nach Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, sollen mehr als eine Million Flüchtlinge aus Europa abgeschoben werden. Er stellt sich dafür große Flüchtlingslager außerhalb der EU vor. "Alle, die illegal gekommen sind, sollte man einsammeln und wegbringen. Aber nicht in andere (EU-)Länder, sondern in Gebiete außerhalb der EU", sagte Orban am Donnerstag dem ungarischen Nachrichtenportal Origo.

"Es kann eine Insel sein oder irgendein Abschnitt der nordafrikanischen Küste."

Außerhalb der EU sollte man "von bewaffneten EU-Kräften gesicherte, mit EU-Geld finanzierte große Flüchtlingslager" errichten, meinte Orban. Die Betroffenen sollten dort Asylanträge stellen können und erst dann weitergelassen werden, wenn sie ein EU-Land aufnehme. "Bis dahin müssen sie sich aber in den großen, außerhalb der EU gelegenen Lagern aufhalten. Es kann eine Insel sein oder irgendein Abschnitt der nordafrikanischen Küste."

Orbans Politik der Abschottung

Orban praktiziert in Ungarn eine Politik der Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Seit einem Jahr stehen an den Grenzen zu Serbien und Kroatien stacheldrahtbewehrte Zäune. Am 2. Oktober findet auf Initiative der Regierung ein Referendum statt, bei dem die Bürger EU-Quoten zur Verteilung von Asylbewerbern über die Mitgliedsländer ablehnen sollen.

In Ungarn herrscht Viktor Orban seit 2010. Die demokratischen Institutionen, die Unabhängigkeit der Medien hat er weitgehend ausgehöhlt, werfen ihm Kritiker - auch in den EU-Gremien - vor. Seine Macht gründet sich aber auch auf den Niedergang des linken und liberalen Lagers in seinem Land.

Am 17. September 2006 wurde jene Rede des damaligen sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany bekannt, die als "Lügenrede" in die Annalen einging. Gehalten hatte sie Gyurcsany im Mai davor auf einer internen Fraktionssitzung seiner Partei. Eigentlich war es eine wütende Antwort auf die Einwände der sozialistischen Abgeordneten gegen seine Spar- und Reformpolitik.

Aber es kamen darin Kraftausdrücke vor und Sätze wie: "Wir haben am Morgen gelogen, in der Nacht und am Abend." Bezogen hatte sich das auf die Angaben der Gyurcsany-Regierung zur Budgetlage vor der Parlamentswahl im selben Jahr.

Wochenlange Unruhen

Einen knappen Tonband-Auszug dieser Rede mit den saftigsten Stellen ließen Unbekannte am 17. September den Medien zukommen. Tags darauf begannen wochenlange Unruhen, an denen sich auch Rechtsextremisten beteiligten. Die Polizei reagierte zum Teil mit übertriebener Härte, die auch gewaltfreie Demonstranten traf.

Orban, damals in der Opposition, heizte die Demonstranten an und forderte wie sie den Rücktritt Gyurcsanys. Der Sozialist versuchte die Situation auszusitzen und warf erst 2009 das Handtuch. Bis dahin verfiel das Regierungslager in Agonie. Orban und seine Fidesz-Partei errangen zunehmend die politische Hegemonie. Bei der Parlamentswahl 2010 fiel den Rechten die verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit praktisch in den Schoß.

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