Immer mehr EU-Länder gegen Ungarns Flüchtlingspolitik

Nach Schweden, Finnland, Norwegen, Island und Dänemark wird nun auch aus Italien Kritik an Ungarn laut.

Zuerst Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Island und jetzt auch Italien. Immer mehr Länder kritsieren Ungarn wegen seiner Weigerung, Flüchtlinge zurückzunehmen bzw. wegen seines für 2.Oktober angesetzten Referendums.

Die nordischen Länder Europas ließen durch ihre Migrationsminister einen entsprechenden Brife an die EU-Kommission schreiben, wie EU-Diplomaten am Mittwoch gegenüber der APA erklärten.

Darin zeigten sich die Vertreter der nordischen Länder nach einem Treffen im schwedischen Lund besorgt darüber, dass Ungarn öffentlich erklärt habe, die Dublin-Verordnung nicht befolgen zu wollen. Der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs hatte am Montag in Brüssel bekräftigt, dass Ungarn keine Dublin-Fälle vom Vorjahr aus anderen EU-Ländern zurücknehmen werde. Ungarn habe keine Verantwortung für Entscheidungen von Ländern zu übernehmen, die Flüchtlinge eingeladen hätten, ohne Ungarn zu konsultieren, sagte er. Außerdem liege es nach den geltenden Regeln in der Verantwortung der Erstaufnahmeländer, Asylverfahren durchzuführen, was Ungarn im Regelfall nicht sei.

Keine Klage geplant

Norwegen und Island gehören nicht der EU an, sind aber Mitglieder des grenzkontrollfreien Schengen-Raums. Für die nordischen Staaten sei die Befolgung der Dublin-Regeln eine Frage von Grundsätzlichkeit, hieß es in diplomatischen Kreisen. Dass diese Staaten Ungarn vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen wollten, wurde dementiert. Vielmehr liege es an der EU-Kommission zu handeln. In Finnland gibt es eine Anordnung eines Verwaltungsgerichts, dass Asylbewerber nicht nach Ungarn zurückgeschickt werden dürften, weil Flüchtlinge dort keinen ausreichenden Schutz genießen, sondern vielfach sofort nach Serbien abgeschoben werden.

Eine EU-Kommissionssprecherin bestätigte auf Anfrage den Erhalt des Briefes. Die EU-Kommission zum gegebenen Zeitpunkt gegenüber Ungarn reagieren, kündigte sie an. Im Streit um die Rücknahme von Dublin-Flüchtlingen hatte Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Ungarn vor zwei Wochen mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gedroht. Nach der Dublin-Verordnung muss jeder Flüchtling seinen Asylantrag in dem EU-Land stellen, das er zuerst betreten hat. Wird er in einem anderen EU-Staat aufgegriffen, kann er in das Ersteinreise-Land zurückgeschickt werden.

Kritik am Referendum

Die Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer, Laura Boldrini, übt wiederum scharfe Kritik an dem am 2. Oktober in Ungarn geplanten Referendum über die Ablehnung verbindlicher Flüchtlingsquoten in der EU. "Mit diesem Referendum werden von der EU bereits gefasste Beschlüsse umgangen, so zerstört man Europa", sagte Boldrini am Mittwoch in Rom.

"Es gibt Länder, die sich geweigert haben, in punkto Flüchtlinge ihren Verpflichtungen nachzukommen. Sie haben somit Länder wie Italien, Griechenland, Schweden und Österreich in Schwierigkeiten gebracht, die ihre Verantwortungen wahrgenommen haben", betonte Boldrini bei der Vorstellung einer Online-Befragung von Italienern über die EU-Perspektiven.

Immer mehr EU-Länder gegen Ungarns Flüchtlingspolitik
epa05078721 Laura Boldrini, the President of the Italian Chamber of Deputies, attends a joint news conference with the President of the Austrian National Council, Doris Bures (unseen), in Vienna, Austria, 22 December 2015. Bures signed a declaration for more European integration which was already signed by Boldrini, the President of the National Assembly of France Claude Bartolone, the President of the German Bundestag Norbert Lammert and Luxembourg's parliament president Mars Di Bartolomeo. EPA/CHRISTIAN BRUNA

Boldrini warnte vor der Errichtung von Mauern in Europa und vor Populismus. "Populisten schlagen Lösungen vor, die in die Vergangenheit schauen und zum Scheitern verurteilt sind. Die Populisten hassen die Welt und haben vor ihr Angst. Wer Propaganda gegen Europa macht, hat keine Ideen", sagte Boldrini.

Drei Viertel der 10.000 Italiener, die sich an der Online-Befragung beteiligten, behaupteten, dass Europa Vorteile gebracht habe, wie der freie Personenverkehr, der kulturelle Austausch, Frieden und Stabilität. Zu den Schwerpunkten, über die sich die Befragten besorgt zeigten, nannte Boldrini die Einwanderung, die Arbeitslosigkeit und das niedrige Wachstum. "Es fehlt eine europäische Regierung und eine europäische Wachstumspolitik. Wie kann Europa eine Antwort auf die heutigen Probleme finden, wenn es über keine Mitteln verfügt, um diese Probleme in Angriff zu nehmen?", fragte Boldrini.

Verständnis von Doskozil

Verständnis für die Politik Ungarns und der anderen Visegrad-Staaten kam hingegen vom österreichischen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil. Er plädierte in der "Aktuellen Europastunde" des Nationalrats dafür, dass Europa das Vertrauen dieser osteuropäischen Länder zurückgewinnen müsse. Doskozil erinnerte daran, dass beispielsweise Ungarn im Vorjahr 175.000 Grenzübertritte verzeichnet habe

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