Orbán sorgt mit Inserat für Aufregung in Europa

Orbán sorgt mit Inserat für Aufregung in Europa
Der ungarische Regierungschef schärft sein Profil als "Anti-Migrations-Kämpfer" und benutzt dafür auch den Fall Leonie aus Österreich.

Wo er kann, betont Viktor Orbán seine Opposition gegen Einwanderung. Im ungarischen regierungsnahen Kossuth-Radio machte der ungarische Premier diese Woche auch die Mordfälle in Wien und Würzburg zum Thema, wo mutmaßlich Migranten zu Mördern wurden. In Deutschland hatte ein Somalier drei Menschen getötet und verletzte viele andere, in Wien wird derzeit ermittelt, was afghanische Jugendliche mit dem Tod der 13-Jährigen Leonie zu tun haben.

In dem Interview lobt Orbán den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz für seinen „beispielhaften Kampf in der Sache der Abschiebung“, warnt aber davor, dass durch einen Abzug aus Afghanistan „Migranten in großen Massen Richtung Eruopa losgehen“ werden. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, mit einem größeren Migrationsdruck zusammenleben zu müssen als in den vergangenen 16 Monaten während der Pandemie“, warnt Orbán in gewohnter Manier.

Orbán sorgt mit Inserat für Aufregung in Europa

Ungarns Vorschläge

Ähnliches machte der ungarische Premier auch in einem Inserat zum Thema, das er über die vergangenen Tage in verschiedenen Sprachen in mehreren europäischen Ländern schalten ließ – auch in der Mittwoch-Ausgabe der österreichischen Presse. Darin formuliert Orbán „Ungarns Vorschläge“ für die Zukunft Europas. In sieben Punkten kritisiert er den Weg, den die Europäische Union in seinen Augen in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat. Orbán schreibt darin etwa, dass Brüssel einen "Superstaat" und ein "europäisches Imperium" errichte. Er bezeichnet das Europäische Parlament, dessen Abgeordnete ihn teils heftig kritisieren, als „Sackgasse“ und erteilt der „immer engeren Einheit zwischen den Völkern Europas“ eine Absage. In Punkt 5 von 7 schreibt Orbán, dessen Unterschrift auf das ganzseitige Inserat kopiert ist, „Das kommende Jahrzehnt wird das Zeitalter gefährlicher Herausforderungen sein“ und benennt die „massenhafte Migration“ und „Pandemien“ als wahrscheinliche Bedrohungen. „Wir müssen die europäischen Menschen schützen.“

Erst vor wenigen Tagen hat die NGO Reporter ohne Grenzen Viktor Orbán auf ihre Liste der "Feinde und Feindinnen der Pressefreiheit" gestellt. Seit Orban und seine Fidesz-Partei 2010 in Ungarn an die Regierung gekommen sind, hätten sie die Medienlandschaft Schritt für Schritt unter ihre Kontrolle gebracht, erklärte RSF. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender seien in der staatlichen Medienholding MTVA zentralisiert worden. Die regionale Presse befinde sich seit 2017 vollständig im Besitz Orban-freundlicher Unternehmer. Wichtige unabhängige Medien seien ausgeschaltet worden.

Übergriff?

Dass Orbán nach alledem ein Inserat in europäischen Medien schaltet, empfinden Kritiker als Übergriff. Andere verteidigen den Abdruck der Werbeeinschaltung als normales Prozedere. "Unsere Rolle ist nicht die Zensur von Werbung", sagte ein Sprecher der Bild-Zeitung nach Veröffentlichung des Inserats am Montag. Es sei "nicht relevant, ob wir die Inhalte einer gebuchten Anzeige teilen oder nicht". Immerhin sei nicht die Redaktion der Absender der Anzeige, "sondern unser buchender Kunde".

Von Kritikern hingegen wird das Inserat als „Propoaganda“ bezeichnet. Etwa auch vom deutschen CDU-Europaabgeordneten Dennis Radtke: „Orbán bläst zur Attacke gegen das Europaparlament als einzige unmittelbar demokratisch legitimierte Institution der EU“, schreibt er auf Twitter.  Er schrecke dabei „vor keiner Lüge zurück“.

Einschaltung auch in Nordeuropa

Auch in Skandinavien hat die ungarische Regierung das Inserat geschaltet. In Dänemark veröffentlichte die konservative „Jyllandposten“ das ganzseitige Inserat des ungarischen Premiers, in Schweden das Wirtschaftsblatt „Dagens Industri“. Dessen Chefredakteur Peter Fellmann rechtfertigte die Veröffentlichung mit der liberalen Tradition der Tageszeitung. Die Entscheidung sei aber nicht leicht gefallen, so Fellmann gegenüber dem Sender SVT. Laut dem schwedischen TV-Bericht haben in Belgien sämtliche Zeitungen das Orban-Inserat dagegen abgelehnt und zum Teil auch die Anfrage kritisch in eigenen Artikeln kommentiert.

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