EU-Höchstgericht bremst auch Österreichs Pläne für Migration

EU-Höchstgericht bremst auch Österreichs Pläne für Migration
Wohin können EU-Staaten Asylwerber rückführen und sind Schnellverfahren außerhalb der EU zulässig? Ein Urteil des EU-Gerichtshofs birgt Probleme für die Migrationspolitik.

Es war gerade eine Handvoll junger Männer, die in Italien um Asyl ansuchten, doch ihr Schicksal bekommt immer mehr Bedeutung für die Migrationspolitik der EU. Deutlich macht das das aktuelle Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union EuGH. Darin geht es um die Abschiebung der erwähnten Asylwerber nach Albanien. Ein dort eigens eingerichtetes Auffanglager sollte dazu dienen, die Männer solange festzuhalten, bis ihr Asylverfahren abgeschlossen war und sie in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden könnten. 

Denn bei dem Herkunftsland handelte es um Bangladesch. Ein Land, das Italien auf seine Liste sogenannter "sicherer Herkunftsländer" gesetzt hat. Kommt jemand aus einem solchen Land, ist seine Chance auf Asyl ohnehin gering. Daher sieht der neue EU-Migrationspakt ein Schnellverfahren an der Grenze, also außerhalb des EU-Territoriums, vor - und danach die Abschiebung.

Zwei Klagen von Asylwerbern waren der Startschuss

Zwei der betroffenen Asylwerber aus Bangladesch hatten gegen die Abschiebung nach Italien geklagt - und vor einem italienischen Gericht Recht bekommen. Ein schwerer Schlag für die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni. Die aber bekam Unterstützung, etwa von EU-Migrationskommissar Magnus Brunner. Der sprach sich für eine eingehende Überprüfung des Albanien-Modells aus und will auch ähnliche Modelle, also Unterbringung von EU-Asylwerbern an den EU-Außengrenzen, oder in einem Drittstaat, um dort ihr Verfahren abzuwickeln, vorantreiben

Außerdem sieht der kürzlich beschlossene EU-Migrationspakt grundsätzlich schnellere Rückführungen von Asylwerbern und dafür engere Zusammenarbeit mit Herkunftsländern vor.

Auch Österreich hat eigene Liste mit Herkunftsländern 

Welches dieser Herkunftsländer tatsächlich sicher und daher für eine Abschiebung geeignet ist, darüber entscheidet jedes EU-Land auf eigene Faust. Auch Österreich hat da seine eigene Liste - und die ist sehr lang und auch nicht unumstritten. Darauf stehen: 

  • Bosnien-Herzegowina,
  • der Kosovo,
  • die Mongolei,
  • Mazedonien,
  • Montenegro,
  • Serbien, Albanien,
  • Ghana,
  • Marokko,
  • Algerien,
  • Tunesien,
  • Georgien,
  • Armenien,
  • Benin,
  • Senegal,
  • Namibia,
  • Südkorea
  • und Uruguay. 

Allesamt also Länder, in die - nach einem Schnellverfahren von maximal 12 Wochen - abgeschoben werden darf.

Doch genau da bremst jetzt der EugH. Dort war nämlich die Klage der zwei Männer aus Bangladesch gelandet, nach einem Konflikt zwischen Politik und Justiz in Italien. Der EuGH hat jetzt entschieden und stellt so der Asylpolitik von Giorgia Meloni und ihrem Albanien-Modell zumindest beträchtliche Hürden in den Weg. Zwar dürfe ein EU-Staat diese sicheren Herkunftsländer grundsätzlich für sich definieren. Dafür aber müssten gewisse Kriterien erfüllt sein. Vor allem: Diese Entscheidung müsse juristisch klar begründet sein, müsse also auch vor einem Gericht standhalten, die Kriterien dafür müssten den Betroffenen, aber auch für die Gerichte offen einsehbar sein. 

Für viele Länder, die von zweifelhaften Regimen regiert werden und in denen die Menschenrechte oft nicht eingehalten werden, dürfte das schwierig sein - auch bei einigen der Länder, die auf Österreichs Liste stehen. Noch wichtiger aber: Das jeweilige Herkunftsland müsse für seine gesamte Bevölkerung sicher sein, also auch für religiöse oder sexuelle Minderheiten. Gerade der Umgang vieler muslimischer Länder mit diesen heiklen Themen dürfte Klagen gegen Abschiebungen und gegen die neuen Schnellverfahren Tür und Tor öffnen. Der neue Asylpakt macht ab  nächstem Jahr die Abschiebungen zumindest in einem Punkt leichter: Eine gefährliche Region in einem Land etwa Syrien, verhindert nicht mehr, dass in andere Teile des Landes abgeschoben werden kann. Eine gefährdete Minderheit in einem Land lässt die Abschiebungen anderer trotzdem zu.

Europarechts-Experte: "Das wird Staaten Schwierigkeiten machen"

 Für den Europarechts-Experten Walter Obwexer kommt die Entscheidung nicht überraschend: "Der EuGH ist seiner Linie treue geblieben, gerade die Grundrechte auf höchstem Niveau auszulegen." Entscheidend ist für den Juristen, dass "EU-Staaten ihre Entscheidungen, welche Herkunftsländer sie als sicher einstufen, viel besser begründen müssen. Das wird komplexer und mit höherem Aufwand verbunden." Das aber werde nicht ohne Folgen für die Migrationspolitik bleiben: "Der Druck auf die Mitgliedsstaaten wird größer. Die Entscheidung wird ihnen Schwierigkeiten machen." 

Immer wieder Streit mit EU-Gerichten

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Entscheidung des EuGH gerade in Migrationsfragen zu offenen Konflikten mit EU-Staaten führt. Auch Österreich und Deutschland wurden in ihren Plänen für Abschiebungen mehrfach vom EuGH, aber auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebremst. Eine von der österreichischen Regierung angeführte Initiative fordert daher, die Auslegung der Menschenrechte in Fällen von Abschiebung neu zu definieren. Österreich will vor allem die Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan vorantreiben.  

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