Treffen der Innenminister: "Das europäische Asylsystem ist kaputt"

Der dänische Innenminister Kaare Dybvad Bek
Zusammenfassung
- EU-Innenminister treffen sich in Kopenhagen, um strengere Maßnahmen gegen illegale Migration zu diskutieren.
- Dänemark und Österreich gelten als Vorreiter bei der Migrationspolitik, insbesondere für die Bearbeitung von Asylanträgen außerhalb Europas.
- Migrationskommissar Brunner betont die Bedeutung von Migrationsdiplomatie und die Einrichtung von 'Return hubs' zur Beschleunigung von Rückführungen.
Das informelle Treffen der EU-Innenministerinnen und -minister am Dienstag in Kopenhagen steht ganz im Zeichen des Kampfes gegen die illegale Migration.
Vorsitzland Dänemark zählt in der EU seit Jahren zu den Hardlinern bei der Migrationspolitik. "Das europäische Asylsystem ist kaputt. Wir brauchen innovative Lösungen", sagte Kaare Dybvad Bek, dänischer Innenminister und aktueller Vertreter des Ratsvorsitzes, vor dem Treffen gegenüber Journalisten.
Die Hälfte der Menschen, die in Europa Asyl beantragen, würde abgewiesen, und nur eine von vier der abgelehnten Personen in ihr Herkunftsland zurückgeschickt. Die EU brauche schnellere Rückführungen sowie innovative Abkommen mit Ländern außerhalb der EU.
Karner: "Härter werden"
Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erklärte vor dem Rat, er sei dem dänischen Vorsitz "sehr dankbar", dass das Thema Abschiebungen, Rückführungen und sichere Drittstaatenmodelle im Mittelpunkt der Beratungen stehen werde.
Dies gelte, "weil wir robuster, härter werden müssen, was die Abschiebungen betrifft", so Karner weiter. Es seien zuletzt Fortschritte gelungen; er nannte Abschiebungen aus Österreich Richtung Syrien sowie aus Deutschland nach Afghanistan, aber "das muss über Einzelfälle hinausgehen, wir müssen hier starke Achsen bilden", forderte der Innenminister.
Er habe Abschiebungen nach Afghanistan schon seit Längerem auf der Tagesordnung, plädiere aber für ein gesamteuropäisches Modell. Auch aus Österreich werde es wieder Abschiebungen nach Afghanistan geben, weil es notwendig sei, Straftäter auch in diese Herkunftsländer wieder zurückzubringen.
"Return hubs"
Karner betonte, bei den Rückführungszentren brauche es den rechtlichen Rahmen, das sei entscheidend. Eine glaubwürdige Asyl-und Migrationspolitik benötige Verfahren und Rückführungszentren außerhalb Europas, "damit wir den Druck auf die EU-Außengrenzen reduzieren und auch das Sterben im Mittelmeer verhindern". Der Innenminister bekräftigte die Bedeutung, das sogenannte "Verbindungskriterium" abzuschaffen. Dieses besagt, dass Menschen nur in Länder abgeschoben werden dürfen, zu denen sie auch einen Bezug haben. Laut Karner wären auch "Return hubs" möglich, wo man "abgelehnte Asylwerber oder Straftäter hinbringen" könnte. Auch sein deutscher Amtskollege Alexander Dobrindt unterstützt die "Return hubs" außerhalb Europas.
Die Bearbeitung von Asylanträgen muss laut dem dänischen Minister nicht unbedingt innerhalb der EU erfolgen; dies sei der beste Weg, um das Geschäftsmodell der Schlepper zu stören. Er tritt für die Bearbeitung außerhalb der EU ein, in den umstrittenen Rückführzentren (Return hubs). Aufnahmezentren wie in Albanien und Ruanda nennt er als "gute Beispiele" für die Externalisierung und Eins-zu-eins-Vereinbarungen, "aber natürlich müssen wir unser eigenes europäisches Modell entwickeln". Hier gebe es noch unterschiedliche Meinungen, aber immer mehr EU-Staaten seien dafür. Der neue EU-Asyl- und Migrationspakt der EU sei ein wichtiger Schritt nach vorn, die Instrumente reichten aber nicht aus.
Brunner: Müssen uns mit Libyen auseinandersetzen
Migrationskommissar Magnus Brunner (ÖVP) sagte in einem Interview mit Politico: "Die Tatsache, dass Russland seinen Einfluss in Libyen vergrößert, ist unsere Sorge, und deshalb müssen wir uns auch mit Libyen auseinandersetzen". Es bestehe die Gefahr, dass Russland wieder Migranten als Waffe gegen Europa einsetze. Die Führung im Osten Libyens hatte dem EU-Migrationskommissar und den Innenministern Italiens, Griechenlands und Maltas am Dienstag die Einreise verweigert. Die rivalisierende, ostlibyschen Regierung unter Osama Hamad in Benghazi, die mit General Khalifa Haftar verbündet ist, wird von Russland unterstützt.
"Wir unterstützen den dänischen Ratsvorsitz, schneller zu sein", erklärte Brunner in Kopenhagen. "Wir müssen Migration auf den Tisch legen, wenn wir mit Drittstaaten verhandeln, das meine ich mit Migrationsdiplomatie", betonte er. Die Drittstaaten müssten sehen, dass Migration für Europa "enorme Bedeutung hat". Die Rückführungsrichtlinie gebe die Möglichkeit, "Return hubs" einzurichten; das sei dann "natürlich die Entscheidung von jedem Mitgliedsland".
Retailleau: "Kontrolle wiedererlangen"
Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau bezeichnete die Kontrolle der Migrationsströme als Priorität: Überall in Europa würden die Menschen dasselbe fordern: "Wir müssen die Kontrolle über eine oft massive Migration, die uns entglitten ist, wiedererlangen." Auch er fordert strengere Regelungen für effizientere Rückführungen und "innovative Lösungen". Karner sieht bei vielen seiner EU-Partner ein Umdenken, "dass wir auch europäisch härter werden müssen".
Ende 2022 habe Österreich ein Schengenveto (gegen den Beitritt Rumäniens und Bulgariens, Anm.) eingelegt; dies war laut dem Minister "eine Art Hilferuf" wegen "enorm hoher Asylantragszahlen", die es auch in anderen Ländern gegeben habe. Dieser enorme Druck habe bei vielen zu einem Umdenken geführt.
Auch die EU-Kommission will Tempo beim Kampf gegen die illegale Migration machen: Sie will die Mittel dafür im nächsten mehrjährigen EU-Budget von 2028 bis 2034 auf 34 Mrd. Euro verdreifachen; für Österreich ist dabei eine knappe Milliarde dotiert.
Weitere Themen des Ministerrates sind der Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Drogenhandel sowie die bessere Vorbereitung der EU auf Krisen. Ziel der Ministerdiskussion ist es, eine politische Richtung für die weitere Arbeit vorzugeben. Konkrete Beschlüsse wird es am Dienstag beim informellen Rat keine geben.
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