Obama macht jungen Kubanern Mut

Obama ließ sich von Raul Castro sichtlich nur ungern den Arm hochheben
Der US-Präsident betont, dass sich sein Land politisch nicht in Kuba einmischen werde

In der Neptun-Bar in der Altstadt Havannas verstummen um Punkt 10.18 Uhr die Gespräche. Die Arbeiter lassen ihre Gabeln in den Teller mit Bohnen und Reis fallen. Daniel, der Kellner, zupft sich die Fliege am Hemdkragen zurecht. Mariella, die Köchin, legt die Schürze ab und nimmt Haltung an vor dem betagten Fernseher, der unter der Decke hängt. Es spricht Barack Obama. Der Präsident der USA. Live. In Kuba.

Und Obama zögert keine Sekunde, um die 1000 handverlesenen Zuhörer im neobarocken Saal des Gran Teatro Alicia Alonso mitzunehmen in die raue Welt da draußen. Brüssel. Der jüngste Fußabdruck des islamistischen Terrors. Tausende Kilometer weit weg. Obama verspricht Solidarität. Zum ersten mal regt sich das, was in den nächsten 40 Minuten Begleiter dieser Rede sein wird, die oft zwischen Spanisch und Englisch wechselt: Beifall. Und Wohlwollen.

Isolation sinnlos

"Ich bin hier, um die letzten Überbleibsel des Kalten Krieges auf dem amerikanischen Kontinent zu beerdigen", eröffnet Obama seine Rede. 60 Jahre Sprachlosigkeit und Feindschaft zwischen Insel und Supermacht sei eine "Verirrung" der Geschichte gewesen. "Wir müssen die Wahrheit anerkennen", sagt Obama, "eine Politik der Isolation macht im 21. Jahrhundert keinen Sinn." Darum müsse die vor 60 Jahren verhängte Blockade weg.

Schnell wird die Botschaft deutlich, mit der Obama seinen Staatsbesuch auf der Karibikinsel abrunden will: Brücken bauen, neues Vertrauen schaffen, Befürchtungen zerstreuen, Ängste ernst nehmen, Gräben zuschütten; auch die zwischen Insel- und Exil-Kubanern.

Amerika und Kuba seien wie zwei Brüder, "die für viele Jahre einander entfremdet waren", sagt der Präsident: "Es ist an der Zeit, diese Vergangenheit hinter uns zu lassen." Während Millionen Kubaner in den Startlöchern stehen, um vor allem materiell Anschluss zu finden an die Moderne, bremst Obama das Tempo. Schrittweise müsse der Wandel gelingen, ohne Hast oder von außen übergestülpte Konzepte. Die Kubaner, sagt Obama, bestimmten die Zukunft Kubas. Niemand sonst: "Es wird nicht einfach. Es wird Rückschläge geben." Aber es lohne sich.

Obama gibt sich Mühe, der Skepsis vieler mit Respekt zu begegnen. An die Adresse von Staatschef Raúl Castro, der in einer Loge aufmerksam zuhört, sagt er. "Wir sind keine Bedrohung für Kuba." Weder beabsichtige Amerika dem Nachbarn im Süden Vorschriften zu machen, noch müsse Kuba als wertvoll erachtete Errungenschaften aufgeben. "Kubaner können sich anpassen, ohne ihre Identität zu verlieren", sagt Obama, "ich glaube an das kubanische Volk."

"Si se puede"

Obamas Botschaft ist an die junge Generation adressiert: Glaubt an euch, glaubt daran, dass ihr so innovativ seid wie jedes andere Volk der Erde. Und ohne Meinungsfreiheit, ohne das Recht, Gedanken ohne Furcht vor Repression ausdrücken zu dürfen, gehe es überhaupt nicht.

Obama vermeidet die in Lateinamerika gefürchtete Pose des Zuchtmeisters. Macht er sich klein, spricht offen die Baustellen im eigenen Land an, etwa den Rassismus, und lädt Kuba zur Kritik ein. "Sí se puede", sagt Obama am Ende unter Beifall. Die spanische Version seines Wahlkampfslogans von 2008 kommt in der Neptun-Bar besonders gut an. Daniel, der Kellner, zitiert mehrfach hintereinander den Satz, der am besten gefallen hat: "Die Zukunft Kubas liegt allein in den Händen der Kubaner."

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