Obama entschuldigt sich bei Merkel: "Wusste nichts"

Obama entschuldigt sich bei Merkel: "Wusste nichts"
Schon drei Jahre vor ihrer Wahl zur deutschen Kanzlerin landete Merkel auf der Abhörliste des NSA.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nach übereinstimmenden Medienberichten seit mehr als einem Jahrzehnt vom amerikanischen Geheimdienst NSA ausgespäht. Ihr Handy stehe seit 2002 auf einer NSA-Liste mit Aufklärungszielen, berichten der Spiegel und die New York Times am Samstag. US-Präsident Barack Obama will davon angeblich nichts gewusst haben.

Der Ausspähauftrag sei allem Anschein nach auch wenige Wochen vor Obamas Berlin-Besuch im Juni 2013 noch gültig gewesen, schreibt der Spiegel. In dem Dateiauszug stehe die Nummer unter "GE Chancellor Merkel". Die Art der Überwachung gehe aus dem Eintrag nicht hervor, also ob etwa alle Gespräche mitgeschnitten oder nur Verbindungsdaten ausgewertet wurden.

Unter Bush-Regierung gestartet

Bis Anfang 2009 war in den USA Obamas Vorgänger George W. Bush Präsident. Was die Bush-Regierung zu der Abhöraktion bewogen habe und warum Obama "anscheinend sogar nach fünf Jahren Präsidentschaft nicht wusste, dass es geschah", ist der New York Times zufolge unklar. CDU-Chefin Merkel wurde 2005 zur Kanzlerin gewählt, also erst drei Jahre nach dem mutmaßlichen Beginn der Spionageaktion.

Obama räumte einem Zeitungsbericht zufolge nach Bekanntwerden der Vorwürfe indirekt ein, dass die NSA Merkel belauscht haben könnte. Er habe der Kanzlerin in ihrem Telefonat am Mittwoch versichert, nichts davon gewusst zu haben, dass ihr Handy von der NSA abgehört worden sei, schreibt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) ohne Quellennennung. Andernfalls hätte er eine mögliche Abhöraktion sofort gestoppt, zitierte der Spiegel Obama aus dem Gespräch. Laut dem Hamburger Magazin hat sich der US-Präsident bei der Kanzlerin für die Abhörung entschuldigt.

Rice versichert: Obama wusste nichts

Auch Obamas Sicherheitsberaterin Susan Rice habe einem deutschen Kollegen versichert, dass der Präsident nichts gewusst habe, sich aber geweigert, die Lauschangriffe zu bestätigen, hieß es am Samstag ohne Quellennennung in der New York Times. Bisher hatte das Weiße Haus in einer schriftlichen Stellungnahme nur erklärt: "Der Präsident versicherte der Kanzlerin, dass die Vereinigten Staaten die Kommunikation von Kanzlerin Merkel nicht überwachen und nicht überwachen werden." Offen ließ ein Sprecher Obamas auch auf Nachfragen, ob Merkels Telefon in der Vergangenheit abgehört wurde.

Ein Sprecher der deutschen Bundesregierung lehnte am Samstag eine Stellungnahme zu dem FAS-Bericht ab. "Wir berichten nicht über vertrauliche Gespräche", sagte er der dpa. Eine Regierungsdelegation soll in Kürze nach Washington reisen.

Spionage-Abwehr ausbauen

Als Konsequenz aus der Affäre will das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) laut Spiegel die Spionageabwehr ausbauen. "Wir reden von einer grundlegenden Neuausrichtung", sagte ein hochrangiger Sicherheitsbeamter dem Magazin. Das Personal der zuständigen BfV-Abteilung 4, wo derzeit mehr als hundert Mitarbeiter tätig sind, könnte demnach verdoppelt werden. Ein Schwerpunkt der Neuausrichtung solle die Überwachung der Botschaftsgebäude im Berliner Regierungsviertel sein.

Asyl für Snowden?

Obama entschuldigt sich bei Merkel: "Wusste nichts"
Photos of Edward Snowden, a contractor at the National Security Agency (NSA), and U.S. President Barack Obama are printed on the front pages of local English and Chinese newspapers in Hong Kong in this illustration photo June 11, 2013. Snowden, who leaked details of top-secret U.S. surveillance programs, dropped out of sight in Hong Kong on Monday ahead of a likely push by the U.S. government to have him sent back to the United States to face charges. REUTERS/Bobby Yip (CHINA - Tags: POLITICS MEDIA)
Wegen der neuen Enthüllungen ist in Deutschland wieder eine Debatte über den Umgang mit dem früheren NSA-Mitarbeiter Edward Snowden aufgekommen, der die Praktiken des US-Geheimdienstes publik gemacht hatte. Inzwischen können sich auch Vertreter der Union eine Anhörung des 30-Jährigen vorstellen. "Wenn die Antworten von amerikanischer Seite nicht befriedigend ausfallen, dann wäre als Ultima Ratio auch eine Befragung von Snowden denkbar", sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl demTagesspiegel. Grünen-Politiker haben sich sogar für ein Asyl ausgesprochen.

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