„Nur hinhauen ist zu wenig“
Es ist so was wie Speed-Dating mit politischem und wirtschaftlichem Hintergrund: Im kleinen Garten der steirischen Vertretung in Brüssel mischen sich die Besucher aus der Steiermark, angeführt von Landeshauptmann Hermann Schützenhofer, beim Empfang unter die in der Hauptstadt der EU arbeitenden Experten. Vor allem eine wollen sie sehen: Irmfried Schwimann.
Die gebürtige Linzerin ist die derzeit ranghöchste österreichische Beamtin in der EU-Kommission. Als Vize-Generaldirektorin der für Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum zuständigen Generaldirektion „DG GROW“ entspricht ihr Rang etwa jenem eines stellvertretenden Generalsekretärs in einem Ministerium. Auf europäischer Ebene aber bedeutet Schwimanns Wirkungsbereich unendlich viel mehr Einfluss. Denn die promovierte Juristin ist an nahezu allerhöchster Stelle in der EU zuständig für den Bereich Kleine und mittlere Unternehmen (KMU), öffentliches Auftragswesen, und Binnenmarkt für Dienstleistungen – also für alles, was jeden Wirtschaftstreibenden interessieren muss.
Und so wird die herzliche, aber auch als resolut geltende Top-Beamtin an diesem Sommerabend von den steirischen Besuchern dauerbelagert. Manchmal sucht sie, um sich blickend, nach dem passenden Wort auf Deutsch – denn alles, was sie sonst tagsüber bespricht oder schreibt, läuft ausschließlich auf Englisch oder Französisch.
Dass in Brüssel alles so kompliziert sei, klagt der steirische Landeshauptmann. Zu hören bekommt Schwimann auch die Kritik an den billigen Arbeitskräften aus Osteuropa, die das heimische Lohnniveau drückten. Aber: „Ich kann keine österreichische Positionen einnehmen“, schildert die 58-jährige Spitzenbeamtin, „wir versuchen in der Kommission die bestmöglichen Wege für ganz Europa zu erarbeiten. Manches versteht man besser, weil es aus dem eigenen Land kommt. Das heißt aber nicht, dass man es immer automatisch gut findet.“
Als Diplomatin hat die Frau mit dem ungewöhnlichen Vornamen ihre Karriere begonnen. „Irmfried bedeutet so viel wie der beständige Frieden“, sagt sie, und das hat absolut nichts mit Deutschtümelei zu tun. Vielmehr hatte der Vater von vier Söhnen seine einzige Tochter dem Namen einer offenbar beeindruckenden Anwältin gegeben, gegen die er als Anwalt Prozess geführt hatte.
Schwimann arbeitete zunächst im Außenministerium, wechselte dann in die Privatwirtschaft. Nach zehn Jahren der nächste Sprung – nach Brüssel. Mit Ehemann, drei kleinen Kindern und dem damals 85-jährigen Vater. „Ich bin sehr froh“, sagt sie, „dass er bis zum Schluss, ehe er mit 94 gestorben ist, bei uns zu Hause war.“
Und es war wohl auch ein familientechnisches Organisationskunstwerk, denn für aufstrebende Beamte in der Kommission gibt es keine 40-Stunden-Wochen. Egal, in welcher Abteilung der Kommission Schwimann tätig war, ob früher als Leiterin der Task-Force „Finanzkrise“ in der EU-Wettbewerbsbehörde oder nun bei „Unternehmen und Industrie“ – die Anforderungen sind immer Maximale. „Jedes Mal, wenn ich nicht auf einen Zehn-Stunden-Tag komme, denke ich mir: Heute hast du aber nicht so viel gearbeitet.“
1000 „Mitarbeiter“
An die tausend Menschen arbeiten in Schwimanns Generaldirektion. Aus allen EU-Staaten stammen sie, eine Vielfalt, die auch nötig sei, um ausgewogen zu sein und gesamteuropäische Lösungen zu erarbeiten. „Spaß macht, dass alle hier Super-Qualifikationen haben, dass alle unheimlich motiviert sind. Sie arbeiten auch alle für etwas, an das sie glauben.“ Irmfried Schwimann ist da nicht anders. Europa, das liegt ihr am Herzen, das ist jeden Moment ihre Lebens-Realität.
Umso mehr ärgert sie unreflektiertes Schimpfen auf die Europäische Union. „Mit Kritik setzte mich mich jederzeit auseinander“, gibt sie sich schon auch mal streitlustig, „aber nur einfach auf die EU hinhauen, ist mir zu wenig.“
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