Nuklear-Deal: Theoretisch Basis für türkische A-Bombe

Erdogan bei seinem dieswöchigen Japan-Besuch in einem Hightech-Betrieb des Mitsubishi-Konzerns
Japan baut das zweite türkische AKW. Der Vertrag gewährt Ankara angeblich auch die Uran-Anreicherung.

Es ist der Knackpunkt bei den wieder aufgenommenen Gesprächen der Staatengemeinschaft mit dem Iran um dessen Nuklear-Programm: Die Uran-Anreicherung. Denn mit dem daraus entstehenden Produkt können Physiker die Atombombe herstellen. Und das will von Peking über Moskau, Berlin, Paris bis Washington niemand.

Mitten in diesen Verhandlungen sorgt nun eine Meldung der japanischen Zeitung Asahi Shimbun für Aufregung. Das Blatt hat sich den Nuklear-Deal , den Ankara und Tokio im Vorjahr zum Bau des zweiten türkischen Atomkraftwerkes (AKW) abgeschlossen hatten, genauer angesehen – und eine brisante Klausel entdeckt: Der zu Folge wird der Türkei erlaubt, selbst Uran anzureichern. Angeblich wurde dieser Zusatz auf Drängen Ankaras in den Vertrag aufgenommen.

Wettrüsten in Region

Dies spiegelt vor allem eines wider: In der Region wollen die wichtigsten Spieler auf die nukleare Option nicht verzichten. Vom Iran weiß man es seit Jahren, doch auch dessen Erzrivale Saudi-Arabien liebäugelt mit der atomaren Abschreckung, und jetzt will Ankara zumindest die Grundlagen dafür schaffen. Wenngleich der türkische Energieminister Taner Yildiz solche Spekulationen weit von sich weist: „Wir haben keine Pläne, selbst Uran anzureichern.“ Stattdessen solle das Material von anderen Ländern bezogen werden.

Der Atom-Pakt war jedenfalls auch Thema beim dieswöchigen Besuch des türkischen Premiers Tayyip Erdogan bei seinem japanischen Amtskollegen Shinzo Abe in Tokio. Dort gehen bei der Opposition die Wogen hoch. Der Deal widerspreche der Haltung Japans, das stets gegen Nuklearwaffen auftrete.

Das zweite türkische AKW soll an der Schwarzmeerküste bei Sinop in Nordanatolien entstehen. Vier Reaktoren, die unter der Federführung von Mitsubishi Heavy Industries erbaut werden, sollen eine Gesamtleistung von 4800 Megawattstunden erbringen – das ist weit mehr als das Doppelte aller österreichischen Donaukraftwerke. Bis 2023, dem 100. Jahrestag der Gründung der Türkei durch Atatürk, soll der erste Reaktor ans Netz gehen. Kostenpunkt der Anlage: 16,2 Milliarden Euro.Das erste türkische AKW mit ähnlicher Leistung und in etwa gleich hohen Kosten wird gerade in Akkuyu in der südlichen Provinz Mersin mit russischer Hilfe projektiert. Es soll ab 2021 Strom liefern.

Energie-Hunger

Mit der Forcierung der Atomkraft versucht die Türkei, die ständig steigende Nachfrage nach Energie zu stillen und ihre Importabhängigkeit in diesem Sektor zu verringern – 2012 mussten dafür rund 45 Milliarden Dollar aufgewendet werden. Stabile Wirtschaftswachstumsraten im vergangenen Jahrzehnt von durchschnittlich fünf Prozent (mit Spitzen von neun Prozent) haben dazu geführt, dass sich der Pro-Kopf-Verbrauch an Energie seit 1990 von 800 Kilowattstunden pro Jahr auf 2500 mehr als verdreifacht hat.

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