Schwul, liberal, gegen Migration: Rob Jetten könnte nächster Premier der Niederlande werden

Schwul, liberal, gegen Migration: Rob Jetten könnte nächster Premier der Niederlande werden
Rob Jetten könnte der nächste Premier der Niederlande werden. Anhänger vergleichen ihn mit NATO-Chef Rutte. Doch auch mit Rechtspopulist Wilders hat er Ähnlichkeiten.

Rob Jetten präsentiert sich als die nahezu vollständige Verkörperung seines Wahlkampfslogans: "Het kan wel", übersetzt "es ist möglich", eine positive Botschaft, angelehnt an Barack Obamas "Yes we can". Jetten, stets ein strahlend weißes Lächeln im Gesicht und jederzeit bereit für Selfies mit "Fans", überzeugte in den TV-Debatten mit optimistischen Visionen statt aggressiver Rhetorik.

Rob Jetten ist die Überraschung der Wahl in den Niederlanden, und hat, da niemand mit dem radikalen Rechtspopulisten Geert Wilders koalieren will, gute Chancen, der nächste Ministerpräsident zu werden. Seine sich selbst als progressiv und sozialliberal bezeichnende Partei D66 – kurz für Demokraten und das Gründungsjahr 1966 – konnte ihre Stimmen verdreifachen, liegt in der Auszählung bei 26 Sitzen im Parlament und damit gleichauf mit Wilders' Partei. Sie ist klar pro-europäisch und sitzt in der EU-Fraktion Renew Europe, mit der deutschen FDP, Emmanuel Macrons Renaissance und den Neos. "Das Positive hat gewonnen", feiert Jetten den Wahlerfolg auf X.

In den Medien wird er als "Anti-Wilders“ bezeichnet. Doch ganz so stimmt das nicht. Denn Jetten hat hat im Wahlkampf auch nationalistische Töne angeschlagen und damit gepunktet.

Der radikale Rechtspopulist Geert Wilders.

Der radikale Rechtspopulist Geert Wilders.

Vom "Roboter" zum Mini-Rutte

"Roboter Jetten“ wurde der 38-Jährige vor wenigen Jahren noch genannt: 2022 wurde er in der Regierung des ehemaligen Premierministers und NATO-Generalsekretärs Mark Rutte Klimaminister, seine Auftritte wirkten unbeholfen, seine Antworten einstudiert. "Ich bin deutlich ergraut und viel erfahrener geworden“, scherzte er darum am Wahlabend. Heute sehen seine Anhänger in ihm eine Art Mini-Rutte, der 12 Jahre lang Regierungschef gewesen ist und in den Niederlanden immer noch Beliebtheit genießt: stets freundlich, pragmatisch, ein Arbeitstier. 

Jetten wäre nicht nur der erste linksliberale und jüngste Premier, sondern auch der erste offen homosexuelle: Der Politiker outete sich früh und ist mit dem argentinischen Hockeyspieler Nicolás Keenan verlobt, macht das aber selten zum Thema. Einzige Ausnahme: Vor Jahren veröffentlichte er ein Video, in dem er homophobe Hassnachrichten vorlas, die er erhalten hatte, und plädierte für einen internationaler Tag gegen Homophobie.

Im Wahlkampf hat die Partei mit "bezahlbarer, grüne Energie aus heimischer Produktion“ und leistbarem Wohnraum geworben; Jetten will neue Wohnsiedlungen und so 100.000 neue Wohnungen schaffen.

Nationale Töne

Trotz sinkender Asylzahlen kamen die Parteien am Thema Migration nicht vorbei, nicht zuletzt angefacht von Wilders. Die D66 sprach sich dafür aus, dass Asylanträge außerhalb Europas gestellt werden sollten. Und sie schlug auch nationalistische Töne an: Die Partei will die rot-weiß-blaue Nationalfahne der Niederlande von den Rechten "zurückerobern"; die Bevölkerung müsse stolz sein auf ihr Land. Auf der Wahlparty der D66 wurden Fahnen geschwenkt; Jetten erklärte, die Flaggen seien ein Zeichen des Abschieds von den letzten Jahren, "in denen es manchmal so schien, als könne unser Land nicht mehr stolz sein. Wir sind ein großartiges Land und wir können es noch besser machen“, sagte er.

In der traditionell stark fragmentierten Parteienlandschaft der Niederlande – 27 Parteien sind am Wahlzettel gestanden – sucht die D66 nun nach Koalitionspartnern, sie dürfte 26 der 150 Sitze im Parlament erhalten. Möglich ist ein Vier-Parteien-Bündnis mit der rechtsliberalen VVD von Rutte (22 Sitze), der christdemokratischen CDA (18 Sitze) und dem Linksbündnis aus Sozialdemokraten und Grünen (20 Sitze). Jetten muss zeigen, ob es wirklich möglich ist, eine stabilere Regierung in den Niederlanden zu formen als vor zwei Jahren. Beobachter rechnen bereits, dass das bis zum Frühling dauern könnte.

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