Die Niederlande auf dem Weg zurück in die Mitte - und nach Europa

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Bei den Parlamentswahlen scheint wieder ein Sieg des Rechtspopulisten Wilders programmiert, an der Regierung werden andere basteln.

Anstand, das ist ein Wort, das Henri Bontenbal gerne ins Treffen führt, wenn es bei einer der unzähligen TV-Debatten wieder einmal heftig zugeht. Den wünscht sich der Christdemokrat sowohl vom Staat als auch von seinen Mitbürgern. Und in einem Land, das immer mehr unter seiner politischen Zerrissenheit leidet, kommt das überraschend gut an. Der 42-Jährige ist kein wirklich mitreißender Redner und ihm ist in diesem hektischen Wahlkampf schon ein heftiger Ausrutscher passiert, als er christlichen Schulen einräumte, dass sie homosexuelle Beziehungen, nicht dulden müssten – in den grundsätzlich sehr liberalen Niederlanden für viele unverzeihlich. Trotzdem trauen ihm politische Beobachter und viele Bürger zu, das Land zu führen.

Für seinen stärksten Gegner gilt das weit weniger, auch wenn der in den Umfragen deutlich vor den Christdemokraten liegt. Der Rechtspopulist Geert Wilders und seine Partei für die Freiheit PVV werden zwar auch bei diesen Parlamentswahlen aller Voraussicht nach als Erster durchs Ziel gehen, aber in eine Regierung einsteigen will mit ihnen niemand mehr.

Vorzeitiges Koalitions-Aus

Zwei Jahre hat die bunt zusammengewürfelte Koalition unter der Führung der PVV gehalten, dann zerbrach sie an den chronischen Streitereien, die Wilders, der zwar nicht in der Regierung saß, sie aber von außen überwachte, anzettelte. Aus dem Prestigeprojekt, das „härteste Asylrecht der Welt“ zu zimmern, wurde nichts, genauso wie aus den Versuchen, die tatsächlich größten Probleme des Landes anzugehen.

Das ist die Wohnungsnot, die es jungen Leuten inzwischen fast unmöglich macht, das Elternhaus hinter sich zu lassen und in ein eigenes Leben zu starten. Dazu kommen drängende Probleme mit der Umwelt, die vor allem von der intensiven Landwirtschaft verursacht werden, von denen die einflussreiche Lobby der Bauern nichts hören will.

Die Lösung für all das wird nach diesen Wahlen wohl in der politischen Mitte gesucht werden. Als wichtigster Partner für eine Regierungskoalition mit Bontenbal und den Christdemokraten bietet sich ein Bündnis aus Sozialdemokraten und Grünen an, das von einer der bekanntesten Persönlichkeiten der niederländischen Politik angeführt wird: Frans Timmermans, ehemaliger Vizepräsident der EU-Kommission. Er ist quasi das Gegenteil von Bontenbal: Ein wortgewaltiger Redner, der mit Anlauf in jede Auseinandersetzung mit politischen Gegnern geht und von sich behauptet, eine typisch sozialdemokratische Wohnbauoffensive mit dem grünen Klimaschutz verbinden zu können. Für  Für die Rechten ist der oft rechthaberische Timmermans das bevorzugte Feindbild, stand er doch auch an der EU-Spitze für die zwei Haltungen, gegen die Wilders und Gleichgesinnte so gerne sturmlaufen: grüner Umbau der Wirtschaft und eine liberale Asylpolitik.

Bontebal oder Timmermans, wer von den beiden am Mittwoch als Zweiter hinter Wilders durchs Ziel geht, ist Favorit für den Posten des Premiers. Das setzt natürlich voraus, dass Wilders diesmal nicht so einen Erdrutschsieg wie vor zwei Jahren hinlegt, als er zehn Prozent vor seinen Mitbewerbern landete und man politisch an der PVV nicht vorbei konnte. Doch für einen Sieg des Rechtspopulisten dürfte die chronische Unzufriedenheit mit der Politik in den Niederlanden ausreichen. Danach aber werden wohl andere austesten, ob man endlich etwas gegen diese Unzufriedenheit tun könnte, mit einer Politik, die versuchen wird, möglichst in der politischen Mitte zu bleiben. Denn von extremen Ansagen, vor allem zum Thema Migration haben viele Niederländer inzwischen schon genug.

 

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