Nicolas Sarkozys müde Gegenoffensive
Nicolas Sarkozy war am Mittwoch-Abend bei seinem mit Spannung erwarteten TV-Auftritt insistierend, langatmig, aber nicht sehr überzeugend: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Hören sie mich? Ich mache seit 35 Jahren Politik. Ich habe nie gegen den Rechtsstaat verstoßen. Ich habe nie das Vertrauen der Franzosen missbraucht. Zwanzig Richter stellen mir nach. Alle meine Telefongespräche, auch die intimsten, werden rund um die Uhr abgehört. Und man hat nichts gefunden." Aber auf die konkreten Fragen der beiden Interviewer zu den Affären, die Sarkozy laufend belasten, kamen eher ausweichende Antworten.
"Hass" der linken Richterin
Das Verfahren war Sarkozy, nach einem 15-stündigem Verhör in Polizeigewahrsam, am Mittwoch um zwei Uhr früh beschieden worden. Dabei geht es um den Verdacht, Sarkozy habe mit Hilfe seines Privatanwalts, Thierry Herzog, einen Staatsanwalt, Gilbert Azibert, bestochen. Das Ziel: Einsicht in geheime Ermittlungsakten in der Affäre um illegale Zuwendungen der Milliardärin Liliane Bettencourt an Sarkozy. Das selbe Verfahren wurde auch gegen Anwalt Herzog und Staatsanwalt Azibert eröffnet.
Umstrittene Abhöraktion
Eine derartige Voruntersuchung, wie sie jetzt gegen Sarkozy eingeleitet wurde, kann sowohl in einem Prozess als auch in einer Annullierung des Verfahrens münden, es wird für gewöhnlich aber nicht ohne einschlägigen Verdachtsmaterials eröffnet. In diesem Fall handelt es sich vornehmlich um Abhörprotokolle, darunter eines Handy, das von Sarkozy unter einem Tarnnamen erstehen ließ, und das er bei Besprechungen mit seinem Anwalt Herzog benützte. Genau das aber ist der umstrittenste Punkt, auf den sich Sarkozy bei seiner Verteidigungsstrategie auch stützt: die Richter hätten durch das Abhören der Gespräche zwischen einem Anwalt und seinem Klienten den Prinzipien des Rechtsstaats zuwider gehandelt.
Diesbezüglich sind die Pariser Justizkreise tatsächlich gespalten. Auch Sarkozy-Kritiker äußerten Unbehagen. Andere erklären, dass die Abhörung des Anwalts sich legitimer Weise aus den vorhergehenden Ermittlungen ergeben habe, zumal klar geworden sei, dass Sarkozy ein getarntes Handy benützte und sich sein Gesprächspartner und mutmaßlicher Komplize in der besagten Bestechungsaffäre als sein Anwalt entpuppte.
Zyniker meinen, Sarkozy erleide nun genau die Methoden, die er als Staatschef angewendet habe: so ließ er Journalisten und weitere Personen, abhören, die in den zahlreichen, ihn belastenden Affären mit Enthüllungen aufwarteten. Um nur ja keine Angriffsfläche für Komplott-Vorwürfe zu bieten, reagierte der sozialistische Staatschef Hollande betont ausgewogen: "Unschuldsvermutung und Unabhängigkeit der Justiz" seien gleichermaßen zu achten.
Kaum Hilfe aus der eigenen Partei
Auffällig ist, dass in Sarkozys eigener, konservativer Partei UMP die Solidaritätsbezeugungen ziemlich verhalten ausfielen und oft zweideutig klangen. So erklärte der angesehene Ex-Premier Alain Juppé, er „hoffe“, dass Sarkozy seine Unschuld nachweisen werde. Das mag damit zusammen hängen, dass die UMP derzeit an einer gewaltigen Schuldenlast leidet, die Sarkozy durch die gnadenlose Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Ausgabengrenze in seinem letzten Wahlkampf verursachte. Die Enthüllung dieses Tatbestands, den Sarkozy im TV-Interview vergeblich zu leugnen versuchte, sorgt, nach all den übrigen Skandal-Vorwürfen gegen ihn, bei einem beträchtlichen Teil der bürgerlichen Wähler inzwischen für Überdruss.
Sarkozy dürfte bei seinem TV-Interview am Mittwoch auch sein eigentliches Ziel verfehlt haben: nämlich sich aus seiner Situation als vermeintliches Opfer sozialistischer Machenschaften heraus wieder in eine politische Führungsrolle im bürgerlichen Lager zu katapultieren: „Aufgeben? Diese Frage stellt sich nicht für mich. Ich habe gegenüber meinem Land eine Pflicht und auch keine Wahl, wenn ich die konsternierende Situation Frankreichs sehe.“ Der Ex-Staatschef, der sich nach seiner Wahlniederlage 2012 aus der Politik öffentlich verabschiedet hatte, erklärte jetzt, er beabsichtige wieder „Verantwortung für die Opposition“ zu übernehmen. Aber der Tonfall war müde, die Worte klangen ausgeleiert.
Kommentare