Nicaragua: Corona wird ignoriert, Präsident ist verschollen

Nicaragua: Corona wird ignoriert, Präsident ist verschollen
Nicaragua gehört weltweit zu den wenigen Ländern, wo offiziell kaum Maßnahmen gegen das Coronavirus getroffen werden.

Gerüchte über Gerüchte: Hat Nicaraguas Präsident Daniel Ortega innerhalb kurzer Zeit drei Herzinfarkte erlitten? Ist er zusätzlich an Covid-19 erkrankt? Ist der 74-Jährige klinisch tot? War er deshalb zuletzt am 12. März öffentlich zu sehen, während einer Videokonferenz?

Fest steht: Ortega ist als derzeit einziger lateinamerikanischer Staatschef abgetaucht. Über seinen Gesundheitszustand gab es auch in der Vergangenheit wilde Spekulationen. Seine Vertreterin, Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo, beschwichtigt, tritt derzeit als Anführerin auf. Über die größtenteils regierungstreuen TV-Kanäle liest sie der Bevölkerung aus der Bibel vor, rezitiert Gedichte und zitiert ihren Gatten.

Inszenierung für die Wiederauferstehung?

Im Kampf gegen Corona dürfte das wenig hilfreich sein: Die Regierung hat bisher kaum Maßnahmen ergriffen. Zumindest keine empirisch belegten: Ende März nahmen Zehntausende an einem offiziellen "Marsch gegen das Virus" teil - man wolle Covid-19 "mit Liebe" bekämpfen, hieß es.

Nicaragua hält sich strikt nicht an WHO-Empfehlungen. Restaurants, Strände und auch Fußballstadien sind weiterhin offen. Die Baseball-Saison hat gerade begonnen, die Amateur-Boxklubs suchen ihren neuen Meister, Schulen haben geöffnet.

Nicaragua: Corona wird ignoriert, Präsident ist verschollen

Marsch: "Mit Liebe gegen Corona"

Und Ortega? Die Opposition vermutet, dass er sich in Selbstisolation begeben hat. Im Übrigen zusammen mit seiner Frau, die auch nur im Fernsehen zu hören ist. Die politische Führung schützt sich, die Bevölkerung wird dem Virus ausgesetzt. Und: Ortega möchte angeblich zu Ostern mit einer Rede "wiederauferstehen", wie die New York Times berichtete.

"Diktator" Ortega bekommt Widerstand

Seit 2007 ist Ortega als Präsident im Amt - wieder. Schon von 1981 bis 1990 hatte der ehemalige Guerillo das Land regiert. Zuerst als Anführer der linken Militärjunta, später als gewählter Präsident.

Als Kopf der Befreiungsfront (FSLN) galt Ortega einst als Held der Linken. Seine "Sandinisten" verteilten Land an Bauern, förderten Alphabetisierung und Gleichberechtigung, bauten Krankenstationen aus, initiierten Impfprogramme. Mittlerweile gilt Ortega als korrupter Diktator. Es gab Wahlbetrug, Proteste ließ er brutal niederschlagen, Oppositionelle verhaften, Medien wurden enteignet. Und er taucht immer wieder ab. Etwa während einer großen Protestwelle 2018.

Das bedeutet nicht, dass es in Nicaragua keinen Widerstand oder Gegenströmungen gibt. Bürgerbewegungen forcieren "Social Distancing"-Kampagnen, unterstützt von Kirchen und verschiedenen Verbänden. Denn die offiziellen Corona-Zahlen Nicaraguas (sieben Infizierte, ein Toter) und die Beschwichtigungen der Elite sind nicht zwingend glaubwürdig.

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