Vertrauen in die EU erreicht Rekordtief

Protesters of Cologne's 'Anonymous' group wear Guy Fawkes masks made popular by the graphic novel "V for Vendetta" as they demonstrate against banking and finance in Cologne October 15, 2011. Protesters worldwide geared up for a cry of rage on Saturday against bankers, financiers and politicians they accuse of ruining global economies and condemning millions to poverty and hardship through greed. The placards read L-R 'Work, Buy, consume - No', 'End the European Centrab Bank ECB' and ' No EU fascism'. REUTERS/Wolfgang Rattay (GERMANY - Tags: BUSINESS POLITICS CIVIL UNREST)
Nach Währungskrise und Schuldendramen: Immer mehr Europäer wenden sich von der EU ab. Muss die Sparpolitik überdacht werden?

Finanziell und moralisch gebeutelt: Viele Menschen in Europa wenden sich jeden Tag ein Stück mehr von der EU ab. Das Vertrauen in die Gemeinschaft hat einen historischen Tiefstand erreicht - das zeigen neue Zahlen einer Eurobarometer-Studie.

Besonders kritisch ist die Bevölkerung in den sogenannten Krisenstaaten: In Spanien misstrauen laut Umfrage rund 72% der EU. Damit leben in Spanien sogar mehr EU-Pessimisten als in Großbritannien - welches ja sogar mit dem Gedanken an die Abspaltung spielt. Auf der Insel vertrauen laut Umfrage fast 69% nicht mehr dem europäischen Staatenbund.

Auch Deutsche sehr pessimistisch

Aber auch in Deutschland und Frankreich - zwei traditionell sehr pro-europäische Länder - sind die Zahlen alarmierend. Mehr als die Hälfte der Deutschen (59%) und der Franzosen (56%) spricht der Union nicht mehr ihr Vertrauen aus. Zum Vergleich: 2007 war es lediglich ein Drittel. Damit hat die Krise zu einem gravierenden Meinungsumschwung im gesamten EU-Raum geführt, immer mehr zeigen sich frustriert und pessimistisch.

Die Eurobarometer-Umfrage wurde in den sechs größten EU-Staaten durchgeführt: Deutschland, Großbritannien, Spanien, Frankreich, Italien und Polen. Damit repräsentiert die Studie den Großteil der EU-Bevölkerung. Die Ergebnisse veröffentlichte der britische Guardian exklusiv am Mittwochabend und kommentierte: Die Ergebnisse stellen die demokratische Legitimität der Union nach rund drei Jahren Krise in Frage. "Der Schaden ist so gravierend, dass es nicht mehr ausschlaggebend ist, aus welchen EU-Land man stammt. Jeder ist schlecht dran", so José Ignacio Torreblanca vom European Council on Foreign Relations (ECFR) gegenüber dem Blatt.

Ende der Sparpolitik?

Vor allem Faktoren wie Massenarbeitslosigkeit, fehlende Perspektiven junger Menschen und soziale Kürzungen haben Europas Bevölkerung pessimistischer werden lassen. Das hat auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erkannt: Er warnte am Montag davor, dass der europäische Traum durch populistische und nationalistische Kräfte bedroht werde. Außerdem äußerte Barroso Zweifel an einer Fortsetzung der bisherigen Sparpolitik: Manchen Krisenländern müsse mehr Zeit zum Defizitabbau eingeräumt werden. Die Politik des Sparens habe in vieler Hinsicht ihre Grenzen erreicht, so der EU-Kommissionspräsident.

Ähnlich äußerte sich die UN-Arbeitsorganisation ILO. "Angesicht der sich seit Ausbruch der Krise verschlimmernden sozialen Verhältnisse ist klar, dass Europa seinen Kurs ändern muss", sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Die Organisation warnte bereits vor sozialen Unruhen in Europa.

Wie die Sparpolitik der EU in Österreich aufgefasst wird, wurde im Rahmen der Eurobarometer-Studie nicht erhoben. Vergangenen Sommer hätten allerdings in einer ähnlichen Umfrage rund 29% eine "total negative" Einstellung zur EU geäußert.

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